Jeder fährt mal mehr, mal weniger gern mit dem Zug von A nach B. Grund zur Besorgnis gibt es selten, eher zum Ärgern, weil der zynisch formulierte „Slogan“ für die Bahn
„Kommen Sie wann Sie wollen,
wir fahren wann wir wollen!“
bedauerlicherweise seit Jahrzehnten keinen Deut an Sinnhaftigkeit verloren hat. Ich habe es zum Beispiel noch nie geschafft, auch nur annähernd pünktlich anzukommen, wenn ich von Hannover nach Berlin gefahren bin. Verspätungen zwischen einer und drei Stunden sind leider üblich. Und das bei einer regulären Fahrtzeit von gerade mal ca. 1,5 Stunden (ICE). In den meisten Fällen erfährt der Fahrgast nicht einmal, warum er wieder zu spät am Zielbahnhof ankommt. Nur einmal wurde ein „Personenschaden auf den Gleisen“ angegeben, der mich knappe zwei Stunden meiner Zeit kostete. Den Geschädigten dürfte es jedoch deutlich mehr gekostet haben … „nur einmal“? Nein, das stimmt so nicht ganz. Nur einmal erlebte ich selbst diese Ansage, als ich in einem verspäteten Zug saß.
Am 3. Juni 1998 um 10:58 Uhr schrieb die Deutsche Bahn mit dem schwersten Bahnunglück der deutschen Nachkriegsgeschichte die Geschichte der Bahnfahrt neu: Der ICE „Wilhelm Conrad Röntgen“ (Zug 884) entgleiste aufgrund von Wartungsfehlern und einem aus Zeitmangel nicht entdeckten sowie aus rein wirtschaftlichen Erwägungen nicht rechtzeitig ausgetauschten, defekten Radreifens. Bei dieser Entgleisung schafften es lediglich die ersten Wagen des Zuges unter der Brücke bei Eschede durchzukommen. Auf einen Wagen schlug die Brücke auf und zerstörte diesen zur Hälfte, alle anderen Wagen schoben sich wie ein Zollstock in- und übereinander. Bei diesem weltweit bisher schwersten Unfall eines Hochgeschwindigkeitszuges verloren 101 Menschen ihre Leben, weitere 105 Fahrgäste wurden dabei teilweise schwerst verletzt.
Foto: dpa
Zunächst gingen die alarmierten Rettungskräfte von einem entgleisten Güterzug aus. Die Bilder, die sich ihnen bei Eintreffen am Unfallort zeigten, werden wohl die Wenigsten jemals wieder vergessen. Ein Freund von mir war am Unfallort. Er hat in seinem Leben schon so einiges gesehen. Doch als ich ihn kurz danach wieder sah, hatte er sich verändert: Er erzählte wie in Trance von dem Unglück und davon, dass das keine Bilder waren, die sich „nur“ einprägen, sondern Bilder, die geeignet sind, den Geist zu zerstören. Unfassbar und von einer solchen Macht, dass man einfach nur ungläubig und wie gelähmt auf das Geschehen zugehen konnte. Wirklich ertragen konnte es wohl keiner von denen, die das, in welcher Position auch immer, miterlebt haben. Fast schon als „Glück im Unglück“ konnte man wohl für die Überlebenden sagen, dass in der Medizinischen Hochschule Hannover an dem Tag ein internationaler Ärztekongress tagte. Alle transportfähigen Patienten wurden sofort in andere Kliniken verlegt, so dass sehr viele der Eschede-Opfer direkt in die MHH geflogen wurden und so zumindest die bestmögliche ärztliche Versorgung erhalten konnten. Da ich in der Einflugschneise der MHH lebe, hätte ich keine Nachrichten gebraucht, um zumindest zu wissen, dass irgendwas unglaublich Grausames passiert sein muss.
Während der sich anschließenden Verfahren zur Aufklärung des Unfalls konnte kein Schuldiger ausfindig gemacht werden. Auch bekannte sich niemand dazu, das Unglück verursacht oder zumindest mitverschuldet zu haben. Die Bahn und ihre Mitarbeiter erwartungsgemäß am allerwenigsten. Bleibt die bittere Frage: Sind die Fahrgäste selbst die Schuldigen, weil sie auf die Sorgfalt der Transportgesellschaft vertraut haben und davon ausgegangen sind, dass sich diese ihrer Verantwortung für Massenbeförderungsmittel bewusst ist? Hartmut Mehdorn, seit Dezember 1999 Vorsitzender des Vorstands der Deutsche Bahn, versicherte seinerzeit sinngemäß in Interviews, dass die Bahn selbstverständlich ihrer Verantwortung für die Verunglückten nachkommen werde. Das hieß allerdings in der Konsequenz lediglich, dass für jedes Todesopfer ein „Entschädigungsbetrag“ in Höhe von 30.000 DM (Deutsche Mark, nicht einmal Euro) gezahlt wurde. Da mutet die Ausführung zum Stichwort „Verantwortung“ auf www.db.de wie ein Schlag ins Gesicht an, wenn man liest „Die Bahn setzt Zeichen. Ob für die Förderung der Lesefähigkeit von Kindern oder für den Umweltschutz. Wir nehmen unsere gesellschaftliche Verantwortung als großes Unternehmen ernst.“. Aha. Vielleicht wäre es sinnvoller, in allererster Linie für die Sicherheit der Fahrgäste zu sorgen und sich nicht feige aus der Affäre und vor allem aus der Verantwortung zu stehlen, wenn doch mal was schief geht …
Was mich maßlos erschreckt ist, dass ein Menschenleben in diesem Staat so billig zu „entschädigen“ ist und sich nicht einmal jemand für ein so gravierendes Unglück tatsächlich verantwortlich fühlt, geschweige denn erklärt. Von Entschuldigungen ganz zu schweigen. Damit dürfte ein ausgelöschtes Menschenleben samt zahlreicher damit vernichteter Existenzen (Familien) ja nicht vielmehr sein, als eine simple Sachbeschädigung. Was durchaus geeignet sein dürfte, die Rechtsprechung in diesem Staat zum Thema fahrlässige Tötung massiv zu revolutionieren. Bleibt zu hoffen, dass sowas nicht Schule macht. Vor allem nicht aus rein wirtschaftlichen Interessen! Denn sowas vergisst man nicht. Dafür sind 10 Jahre dann doch nicht lang genug …
Wer es noch etwas genauer wissen möchte: Heute Abend läuft auf N3 ab 21:45 Uhr eine m. E. recht interessante Dokumentation zum Thema.
© skriptum
ja tatsächlich scheint ein menschenleben nichts wért zu sein. denn was sind schon 30.000 DM ? nimmt man mal eine deutsche durchschnittsfamilie mit zwei kinder dürfte das nicht mal das jahresbrutto sein.
man könnte an diesem punkt gleich zum thema billig- bzw. mindestlohn umschwenken- traurig aber wahr.
die DB macht mit diesem vorgang – ganz nüchtern im amtsdeutsch – geschichte. nur leider nicht schöne oder gute geschichte. ist die DB nicht bislang noch ein staatsbetrieb ? steht nicht eine teil- privatisierung an ? na dann gnade uns gott ( hoffentlich können wir dann wenigstens auf den vertrauen, den die bisherige höchste instanz, der staat, hat uns ja mächtig enttäuscht ), wenn das durch ist und ein ähnliches unglück ins haus steht, was bekommen opfer dann ?
womöglich werden sie noch verklagt, weil sie die öffentlciehn verkehrmittel genutz haben und dann unerhörterweise auch noch was passiert ist ?
der staat ist oder die DB ist doch an dieser stelle gefordert. warum ? weil dieser doch ein spiegelbild unsere gesellschaft ist.
wie marode und unverantwortungsvoll, ja eventuell sogar korupt muß ein staat sein damit sowas passiert ?
warum aber steht niemand gerade für den vorfall ? eventuell hatte man keinen ( passenden ) kleinen mann gefunden, oder ihn gleich ( vorsorglich vor unangenehmer fragen ) entlassen/ mundtot gemacht ?
oder hatte man sich nur versucht die schuld für dieses unglück gegenseitg in die schuhe zu schieben ? da wraen dann so viele schuhe das es dann irgendwann im sand verlaufen ist. komisch nur das man ja ganz offensichtlich den technischen fehler nun kennt, aber nichts passiert. ( natürlich hat man nun die ursache behoben, zumindest wird es so gesagt. )
im grunde genommen will ich am wenigsten irgendwen dafür gerade stehen lassen, aber der mensch muß sich immer darüber im klaren sein, daß er nicht fehlerlos ist und schon an sehr vielen punkten sein(über)natürlichen ziele und grenzen überschritten hat.
ein paar kleine fehlerchen gesteht man sich zu. hier und da eine verspätung im zugverkehr, ein zwei technische pannen, hier und da ein paar weniger bahnmitarbeiter, hier und da ein paar servicesdienstleister ( billiglohnmitarbeiter )die das unternehmen für die zukunft ( höhere rendite an der börse ) vorbereiten. man – wer ist eigentlich „man“ in dem bahnunternehemen ? – steht ja schließlich in der verantwortung – und was bitteschöhn versteht man unter verantwortung/ in welchem berreich ? – zum kunden ( und den aktionären ) die aber wohl lieber mit dem bigcar fahren oder gleich fahren lassen, denn time is money !
noch ein bischen ironie:
ja klar und das geld was der kunde für die fahrkarte zahlt muß sich ja lohnen. wenn er also schon teuer bezahlt darf er auch noch immer gratis sozusagen, die schöne bahnhofsarchitektur bewundern. das nenne ich service.
schönen tag noch
[…] Today’s Top Tagger: 128, 101, 78, 50, […]
Oh, Herr Carl, das ist doch nicht Ihr Ernst, oder? Als „Vater, Ehemann, Bruder, Sohn, Enkel und Onkel, auch Freund, Kollege und Kommilitone, Büchernarr, Musikfreund, Bierliebhaber, Gourmand und Informationsjunkie“ sollte man annehmen, dass Sie ausgelastet genug sind, nicht mit absoluten Unwichtigkeiten Ihre Zeit totschlagen zu müssen. Statt dessen lesen Sie die Tags hinter den Artikeln anderer Blogger?
Ich fasse es nicht! :-))
Wissen Sie, diese Tags dienen nicht als Beschäftigungstherapie oder dazu, Artikel künstlich zu verlängern, sondern lediglich zum Auffinden bestimmter Themen per Stichwortsuche in Suchmaschinen etc. Man kann sie natürlich trotzdem alle durchlesen. Man kann sie sogar zählen. Klar, das haben Sie ja mit mehreren Texten unter Beweis gestellt.
Dennoch erlauben Sie mir bitte, Ihnen wohlwollend etwas anzuempfehlen: Wettklöppeln ist m. W. inzwischen völlig out. Aber Kekskrümelfarbbestimmung soll rasend im Kommen sein. Suchen Sie sich doch einfach einen guten Freund und melden Sie sich an. Die nächst gelegene Keksfabrik Ihres Vertrauens kann Ihnen da sicher genauere Auskünfte erteilen.
Leute gibt’s … *tse
;o)
Lieber gokui, Du schreibst
„warum aber steht niemand gerade für den vorfall ? eventuell hatte man keinen ( passenden ) kleinen mann gefunden, oder ihn gleich ( vorsorglich vor unangenehmer fragen ) entlassen/ mundtot gemacht ?“
Meines Erachtens muss im Zweifel immer der oberste Kopf haften. Dafür ist er – meist für horrende Entlohnungen – eingesetzt. Ist also in den unteren Reihen niemand zur Verantwortung zu ziehen resp. als Schuldiger auszumachen, haftet eben derjenige, der an der Spitze eines Unternehmens steht. So sollte es wohl „eigentlich“ sein. So ist es aber in der Praxis leider nicht. Und den Pförtner zu steinigen, weil unter Federführung anderer Menschen in einem riesigen Unternehmen richtig Mist gebaut wurde, kann es ja auch nicht sein …
„Billig, billiger, am billigsten“ ist eben rasend im Kommen. Service wird nur noch geleistet, wenn er nichts kostet. Oder nur sehr wenig. Genauso wie in vielerlei anderer Hinsicht wird sich auch das wieder ins Gegenteil verkehren, sobald jemand beschließt, dass es innovativ ist, Service am Kunden zu leisten. Wie es ja früher schon einmal war.
Beispiele dafür, dass Altes als ganz neu erfunden wieder eingeführt wird, gibt es in der Vergangenheit mehr als genug. Man denke an frühere Krankenscheine, die durch die Versichertenkarte abgelöst wurden, damit der Papierkram entfällt und es der Patient einfacher hat, durch bloße Vorlage seiner Karte einen Arzt aufzusuchen. Inzwischen haben wir beides: Krankenkarte und Überweisungsscheine. Die Rennerei hat sich verdoppelt, was natürlich insbesondere empfehlenswert ist, wenn man tatsächlich krank ist. Bleibt abzuwarten, bis das zurück geschraubt wird. Denn der Missbraucht, der jährlich in die Milliarden geht, wird dadurch keinen Deut verringert. Und irgendwann kommen wir dann wieder bei den Krankenschein-Heftchen an. Als ganz neue Erfindung. Genauso wie mit Service in Service-Unternehmen. Genauso wie mit der 35-Stunden-Woche zur tatsächlichen Minimierung der Arbeitslosigkeit. Genauso wie mit unzähligen anderen Mechanismen.
Vermutlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis Sicherheit dann auch wieder ganz oben steht. Dazu müssten sich jedoch die Strafen in Fällen wie dem obigen so empfindlich erhöhen, dass es sich die Unternehmen einfach nicht leisten können, sowas zu riskieren. Und das wird dauern.
im grunde genommen hast du recht. die strafe sollte es sein. das was am besten wäre, ist ein imageverlust. und den fürchten sie alle. aber dem wird ja immer dank einer erstklassik funktionierenden werbeabteilung entgegen gewirkt. und plötzlich ist es keine alte bohinsel mehr die man verschrotten will, sondern unzählige von dollar diein neue bessere piplines investiert werden – selbstverständlich völlig selbstlos.
dei aufgabe der werbung ist es, die dinge die gut sind so in den fokus zu rücken, daß alles andere dahinter völlig bedeutungslos erscheint.
habe die tage gehört AKW´s sollen wieder im kommen sein. sie sind ja so sauber…, naja zumindest die ersten paar jahre…
nach uns die sinnflut – das motto der unternehmensführung
Werbung war früher mal ein Medium, um die Menschen über Neuerungen etc. zu informieren. Heute gilt es nur noch, bisher nicht bekannte Bedürfnisse zu schaffen. Einiges davon ist sinnvoll aber bei weitem nicht alles.
Was mich ärgert ist, wenn ich als potentieller Kunde für blöd gehalten werde. Zum Beispiel der Werbespot eines Brillenanbieters. Das Baby spricht im Krabbelalter genau drei Worte: „Ball“, „Mama“ und „Fielmann“. Hallo?! Wenn ich schon mit der Werbung eines Anbieters verarscht werde, gehe ich doch nicht noch hin, um etwas zu kaufen. Die müssten sich doch auf den Boden schmeißen vor lachen, sobald ich einen Laden betrete.
Was die Atomkraftwerke betrifft weiß ich ehrlich gesagt aktuell gar nicht, was ich von was halten soll. Wir brauchen dringend Energiequellen. Das ist Fakt. Insofern geht es vermutlich nur noch darum, das kleinere Übel zu wählen. Und statt keiner Energie sind die AKWs dann das kleinere Übel. Auch wenn wir u. U. nicht lange etwas davon haben …
werbung mus bedürfnisse wecken ???
*schau verwundert*
diese armen menschen, sie tun mir leid, wenn sie nicht wissen was ihre bedürfnisse sind. ich jedenfalls kenne meine bedürfnisse und urchaus nicht nur meien materiellen. und ! ich gehe hin und nehme mir meine dinge die zu meinen „bedürfnissen“ passen.
ja gute werbung ist tatsächlich rar ( gerade hier in der BRD ). und, werbung macht ja auch gezielt „blöde“. man könnte sogar behaupten, die ganze medienflut lässt eien verblöden. ( wie gut das es blogs gibt. )
thema AKW: warum brauchen wir dringend energiequellen ? haben wir nicht schon genug ? sollten wir nicht lieber diejenigen gescheit nutzen die uns mutter natur bietet ?
deine äußerung mit dem kleineren übel liegt mir etwas im margen. gerade in bezug auf den nachfolgenden satzt: auch wenn wir nicht lange was davon haben. soweit ich weis werden wir von keiner bisherigen anderen energiequelle solange was haben wie von dem müll der AKW´s.
Ne, Werbung muss nicht Bedürfnisse wecken, sondern ist heutzutage darauf getrimmt, es zu tun. Früher hatte sie Informations-Charakter, heute schafft sie Notwendigkeiten, die man nie verspüren würde, wenn es keine Werbung gäbe. So meinte ich das.
Was die Energiequellen betrifft, meinen wir anzunehmenderweise das Gleiche, drücken es nur gänzlich anders aus. Explizit mit den AKW liegen wir ziemlich sicher genau gleich: Natürlich werden wir den Müll bis zum letzten Tag mit uns „mitschleppen“. Er wird uns, vermutlich schon in absehbarer Zeit, umbringen. Aber bis dahin sind wir ja sowas von glücklich *hossa
So klarer? ;o)
yo !
ich wußte es, kann aber auch sein das ich zuviel quer gedacht habe.
falls du mal infos brauchts mit quellen oder nur noch ein bischen drüber lesen willst: http://naturesense.wordpress.com/
dem outfit entsprechend wirst du den schreiber erkennen ;-)