Dieses Meisterstück der Schreinerei, das er auf einem der Flohmärkte seiner Gegend gefunden und spontan gekauft hatte, obwohl sein Geld weder vorne noch hinten reichte, hatte er sich nach größten Verhandlungs-Bemühungen nach Hause liefern lassen. Die Ausmaße von mehr als drei mal einem Meter in fast schwarzem Holz konnte er natürlich nicht mit seinem Sportwagen nachhause transportieren. Ganz davon zu schweigen, dass er ein solches Format nicht alleine in seine Wohnung hätte schleppen können.
Der Tisch machte sich in dem langen Flur seiner Wohnung ausnehmend gut. Er bot Platz für mindestens 10 Personen. Die Transportkosten mitgerechnet war das Prunkstück letztendlich alles andere als ein Schnäppchen aber die Größe hatte es ihm einfach angetan. Nun müsste er sich nie wieder Gedanken darüber machen, wo er seinen Gästen einen Platz anbieten könnte. Besuch hatte er zwar ewig nicht mehr gehabt aber das würde sich bestimmt bald ändern. Schließlich war er verabredet. Endlich, nachdem er monatelang vergeblich versucht hatte, jemanden persönlich kennenzulernen.
Allerdings tat es der Tisch alleine nicht. Stühle musste er auch unbedingt noch besorgen. 10 passende oder besser gleich 12. Der Flur war weitläufig genug, um den Tisch samt Stühlen großzügig aufzustellen. Natürlich brauchte er dann auch noch entsprechendes Geschirr. Sein Sammelsurium an Tellern und Bestecken reichte zwar für ihn alleine, damit konnte er aber nun wirklich niemanden beeindrucken. Ganz davon abgesehen, dass die Menge nicht ausreichend war. Und sein neuer Tisch sollte natürlich perfekt eingedeckt sein, wenn er nun bald nicht mehr jeden Abend allein vor seiner Stereoanlage oder mit seinem Laptop verbringen müsste.
Da ihm eine Tischdecke zu bieder war, überlegte er, gleich noch ein paar Tischläufer zu kaufen. Vielleicht im japanischen Stil. Aus Seide oder irgend einem anderen noblen Stoff. Die kahlen Wände des Flures könnte er mit ein paar großen Kunstdrucken entnüchtern. Um all das wollte er sich am kommenden Samstag kümmern. Letztendlich würde ihn diese Aktion ein Vermögen kosten und den schon mehr als ausgeschöpften Rahmen seines Kontos endgültig sprengen, aber das war ihm egal. Mit seinem Geld tat er, was er für richtig hielt. Die Meinung anderer interessierte ihn noch nie. Er wusste genau was er wollte. Auch wenn ihm das bisher alles andere als Glück gebracht hatte.
Verstehen konnte er sowieso noch nie, warum ihn einige Leute als größenwahnsinnig bezeichneten. Was er mit seinem Geld tat, war doch einzig und allein seine Sache. Und schließlich arbeitete er dafür. Andere Männer ernährten von einem solchen monatlichen Einkommen locker eine vier- bis sechsköpfige Familie. Er hatte sein Geld, Dank eines Jobs, in dem er jede Form von Narrenfreiheit genoss, nur für sich. Dass mal irgend jemand auf die Idee kommen könnte, seine kaum noch spürbaren Leistungen zu kontrollieren und seinen Job möglicherweise mit jemandem zu besetzen, dessen Leistungen dieses Gehalt tatsächlich rechtfertigten … nein, soweit dachte er nicht.
Er hielt sich für unkündbar und dem entsprechend dachte er weder an Rücklagen noch an Altersvorsorge und all diesen Unsinn. Sein Einkommen nutzte er so, wie er es für richtig hielt. Was scherten ihn die Meinungen Anderer. Darauf hatte er noch nie gehört und würde es auch zukünftig nicht tun. Die laufenden Kredite nebst völlig ausgeschöpftem Dispo würde er schon irgendwann ausgleichen. Da sollte sich der Banker mal nicht so haben. Und spätestens wenn er endlich eine Frau kennengelernt hatte die bereit wäre, mit ihm eine Familie gründen, würde sowieso alles anders. Da war er sich sicher.
Der Samstag begann für ihn mit einem freudigen aus dem Bett Springen. Auch heute musste er Verhandlungsgeschick beweisen, damit ihm die Stühle sofort nachhause geliefert würden. Abends sollte der Tisch fix und fertig sein. Tischläufer fand er problemlos und auch beim Geschirr hatte er keine Schwierigkeiten sich sofort zu entscheiden. Bei den Stühlen dauerte es etwas länger. Natürlich entschied er sich letztendlich für Ebenholz. Es sollte ja für die Ewigkeit sein und dann achtet man eben nicht so genau auf den Preis. Die Stühle passten hervorragend zum Tisch. Er freute sich unglaublich, als alles geliefert und aufgebaut war und dem Flur einen ungeahnten Charme verlieh. Das Eindecken verschob er auf später. Zunächst musste er noch irgendeine Galerie finden, um ein paar Kunstdrucke zu erstehen, die zu dem neuen Erscheinungsbild des Entrees seiner Wohnung passten. Auch hier wurde er schnell fündig und brachte die Bilder mit flinkem Geschick an die Wände.
Insgesamt hatte er an diesem Tag mehr als ein Monatsgehalt ausgegeben. Geld, das er aufgrund seiner finanziellen Situation überhaupt nicht hätte ausgeben dürfen. Doch es scherte ihn nicht. Er dachte nur an seine Verabredung. Der Abend näherte sich inzwischen unaufhaltsam. Schnell sprang er unter die Dusche, nästelte anschließend ein Hemd aus dem Wäschestapel und zog es kurze Zeit später gebügelt an. Sein Anzug passte längst nicht mehr aber um hier für etwas Neues zu sorgen, fehlte ihm mittlerweile die Zeit. Also musste es eine Jeans tun. Saubere Socken hatte er nicht mehr im Schrank, also zog er die von gestern an und dazu Turnschuhe, damit dieser kleine Fauxpas nicht sofort ins Auge stieß. Schnell noch einen Pulli über die Schultern gehängt und fertig war sein abendliches Outfit.
Er fand sich perfekt. Wie immer eigentlich. Sein knurrender Magen ließ in ihm erschreckt die Erkenntnis reifen, dass er überhaupt nichts Essbares im Haus hatte. Ein paar Flaschen Wein und Bier sowie Cracker waren aber auf jeden Fall vorrätig. Schnell suchte er noch zwei passende Weingläser zusammen und stellte sie nebst einer geöffneten Flasche auf den Tisch. Ein Glas schenkte er sich sofort ein und kippte es in einem Zug runter. Dann sah er auf die Uhr und vergewisserte sich, dass es nun soweit war. Locker würde er seinen Charme spielen lassen, sie in einen anzüglichen Wortwechsel verwickeln und dann fragen.
Seit Monaten schrieben sie sich immer mal wieder im Internet. Er fand, es wäre nun an der Zeit, dass sie sich persönlich kennen lernen. Und warum sollte sie auch nicht darauf eingehen? Immer wieder hatte er betont, wie gut er gestellt ist und seine Vorzüge herausgestellt. Etwas nervös fuhr er also sein Laptop hoch und hoffte, dass sie endlich mal Wort halten würde und sich heute Abend, wie er es ihr vor einigen Tagen gesagt hatte, mit ihm zum Chatten träfe. Zu allem Weiteren würde er sie dann schon überreden …
© skriptum
[02.07.2007]
Eine Lehre fürs Leben.
Aber Du weißt- Hormone machen auch manchmal
zum Verrücktwerden :-)
Grüße
Tja … vor allem, wenn sich niemand erbarmt, sie mit ihm ausleben zu dürfen! ;o))
Eine traurige und erschreckende Geschichte – umso mehr, weil sie so ungemein aktuell ist. So oft ich sie auch weiter denke, nie stellt sich ein sogenanntes Happy End ein…
Auch da hast Du völlig recht, meine liebe Freidenkerin. Ich habe diese Geschichte vor zweieinhalb Jahren geschrieben und sie hat in der Zwischenzeit nichts an Aktualität verloren.
Leider … sozusagen. Aber manche Menschen lernen es eben nie.