Manche Übernachtungen hinterlassen Erinnerungen, die man lieber aus seinem Gedächtnis streichen würde. So geschehen während eines Skiurlaubs in Österreich:
Die Wetterverhältnisse ließen ein Überqueren des Passes mit einem Porsche, der ansonsten seinen Dienst wirklich absolut einwandfrei versehen hatte (!), bei den plötzlich eingetretenen Schneeverhältnissen dann aber doch die sprichwörtlichen Segel streichen musste, einfach nicht zu. Also mussten wir für den nächstmorgendlichen Autozug einchecken und uns eine Unterkunft für die Nacht suchen. Da es sich um einen sehr kleinen Ort handelte, gab es nicht allzu viele Hotels oder Pensionen und die die es gab, waren überwiegend ausgebucht. Schließlich fanden wir doch noch ein … Gemäuer … das von außen schon so gruselig aussah, dass ich da freiwillig nie eingecheckt hätte. Aber was blieb uns übrig?
Der Weg zu unserem Zimmer führte durch das gesamte Gebäude. Mindestens. Hoch, runter, links, rechts, kreuz und quer. Circa 10 Minuten vor Erreichen unseres Zimmers hatte ich das Gefühl, dass wir inzwischen den Ort längst verlassen haben müssten, wenn wir uns nicht noch immer im gleichen Gebäude befänden. Das Zimmer ansich war recht ordentlich. Eben so burg-like eingerichtet: Riesiges Bett, eine Waschgelegenheit (Toilette irgendwo auf dem Flur), dicke (sehr dicke!) Teppiche und darunter unheimlich knarrende Holzdielen, wie auch schon im gesamten Flur- und Treppenhaus-Bereich.
Nach Abstellen unserer Klamotten fanden wir tatsächlich den Weg zurück zur Rezeption und damit zum Restaurant. Oder das, was dort „Restaurant“ genannt wurde … Spelunke hätte es möglicherweise besser getroffen. Das Essen war anständig, der Wirt offensichtlich ein Bruder von Frankenstein (oder sogar er selbst?) und die weiteren Gäste schienen alle schon lange in diesem Haus zu wohnen oder gar dort (hergestellt worden oder) geboren zu sein. Wir fühlten uns wie Außerirdische und wurden auch genau so angestarrt.
Auf unsere Frage, ob man uns gegen fünf Uhr wecken könne, weil wir unbedingt den Autozug bekommen müssten (und keinen Wecker dabei hatten), bekamen wir samt der ungefragt gebrachten Rechnung ein knappes „Wecken ist nicht!“ auf den Tisch geklatscht. Das war’s. Entsprechend unruhig war die Nacht:
Wenn ich befürchte zu verschlafen, kann ich überhaupt keinen Schlaf finden. Also lag ich die ganze Nacht wach und wippte ungeduldig mit den Füßen, unruhig auf den Morgen wartend und mir einen ansich dringend notwendigen Toiletten-Besuch schmerzhaft verkneifend. Mich hätten keine 10 Pferde alleine aus dem Zimmer bekommen! Eine solche Situation hat bekanntermaßen zur Folge, dass man jedes Geräusch, was des nächtens durch Räumlichkeiten hallt, wesentlich intensiver hört, als es einem lieb sein kann. Mir zumindest.
Die Zimmertür konnten wir nur mit einem riesigen Schlüssel „verschließen“. Um die Tür mit einer Scheckkarte zu öffnen, hätte man sie nicht durch den Türrahmen schieben, sondern schlicht im Schloss drehen müssen. Einen allzu sicheren Eindruck machte das also nicht. Im Bett liegend konnte ich dem entsprechend durch das Schlüsselloch auf den Flur gucken. Jeder vorbei huschende Schatten drängte mir den Gedanken auf, dass wir gleich nicht mehr allein wären. Ein unheimliches Gefühl und nicht zwingend dazu geeignet, sich zu entspannen und einzuschlafen.
Was ich aber noch viel schlimmer fand war, dass ich ja wusste, dass die Holzdielen ausnahmslos bei jedem Schritt sehr knarrten, wenn man darüber ging. Die nächtlichen Schatten vor der Tür machten aber keine Knarrgeräusche, was mir wiederum die Vermutung aufdrängte, dass ich entweder inzwischen halluzinierte oder es sich um fliegende Geister handeln musste. Vermutlich durch Schritte hervor gerufenes Knarren war nur dann zu hören, wenn keine Schatten vor der Tür sichtbar waren. Das alles war eher weniger dazu geeignet, mich in Ruhe Schlaf finden zu lassen. Da half nicht einmal das selige Schnarchen meines Bettnachbarn.
Wie wir am nächsten Morgen aufgewacht sind, ob ich überhaupt geschlafen habe und ob wir frühstückten, erinnere ich nicht mehr. Auch ist mir der Name des Ortes und des Hotels entgegen meiner sonstigen Merkfähigkeiten völlig entfallen. Und die Tatsache, dass nach ca. 20 Metern auf der absolut (!) geraden Straße zum Bahnhof beim Zurückblicken das Hotel nicht mehr zu sehen war, beunruhigt mich inzwischen nicht mehr. Ich habe es mittlerweile so zur Kenntnis genommen und gehe davon aus, dass ich da vermutlich eh nie wieder hinfahren werde …
© skriptum
[03.04.2006]
Tina, du sagst es: „Manche Übernachtungen hinterlassen Erinnerungen, die man lieber aus seinem Gedächtnis streichen würde.“, meinst es natürlich anders, als ich es im Moment aufnehme. Mir geht es momentan wirklich nur braun und stinkend als Umschreibung.
Ich möchte schreiben und schreien, kann oder darf nicht, Telefonate haben Bestätigungen gebracht, wie ich sie so nicht haben wollte, SMS blieb unbeantwortet – ich könnte Amok laufen.
Aber dort bei der Übernachtung ist deine Phantasie auch im Karree gesprungen – konntest du dich denn nicht auf den Schutz deines starken Begleiters verlassen?
Natürlich darfst Du schreiben. Notfalls „gesichert“; das hast Du doch schon gemacht, liebe CC. Mir hilft es zu schreiben, damit ich nicht implodiere …
Klar konnte ich mich theoretisch auf meinen starken Begleiter verlassen. Praktisch schorchelte er aber seelenruhigst neben mir. Was mich ja im Normalfall beruhigt. Aber das war ja kein wirklicher „Normalfall“ ;)
Das Hotel oder was immer das war – klingt perfekt für mich :)
Jou, da hättest Du mächtig viel Spaß gehabt! ;o))
Und weißte was?! Du hättest massenweise Legosteine verbauen können. Allein ins Schlüsselloch hätte vermutlich ein ganzer Bausatz gepasst! *g
Die Tatsache, daß du das „Hotel“ beim Zurückblicken nicht mehr erkennen konntest hat vielleicht auch damit zu tun, daß es verschwunden war ;-)
Herrlich geschrieben, ich habe mich sofort gefühlt, als wäre ich du *schüttel*
Schlaf schön heute abend!
Liebe Grüße, die Emily
Zumindest im Nebel verschwunden. An mehr mag ich gar nicht denken! ;)
Und als Nachtlektüre Stephen Kings „Shining“ ;)
Genau! Und mein Messerblock neben dem Kopfkissen! *gg
Ich hätte mir an deiner Stelle die Bettdecke über den Kopf gezogen und mich tot gestellt. Oder hast du tatsächlich nur zu viel Stephen King gelesen? ;)
Ne, ne, das hat sich tatsächlich so abgespielt. Der „Deckentyp“ bin ich nicht. Wenn, dann will ich schon voll mitbekommen, wer mir was tut! ;)
Solche Herbergen kenne ich auch…lach*!
In Irland habe ich einmal bei einem B&B übernachtet mit Plumps – Toilette im Garten. Am nächsten Morgen erzählte die Vermieterin, dass in dem Zimmer und in dem Bett, in dem wir geschlafen haben, vor ein paar Wochen ihre Mutter gestorben sei.
Huh…mich gruselt es immer noch, wenn ich daran denke.
Liebe Grüße von Rosie
Ja, super! Das ist ja auch genau die Nachricht, die man gern zum Frühstück bekommt … *boah
Eine genaue Beschreibung des „Wirtshaus im Spessart“. So stelle ich mir das vor :-) Richtig gruselig.
Da war unsere Übernachtung vor Jahren in einem Stundenhotel in Frankreich, in das wir aus Versehen geraten waren, ja gar nichts. Nur statt uns auszuziehen mussten wir uns anziehen, da die Betten wohl im letzte Jahr nicht einmal frisch bezogen waren. Aber billig wars :-)
Sowas Ähnliches ist uns mal am Grand Canyon passiert: Spät abends kommen wir an einem der Eingänge an und wollten uns schnell für die Nacht ins nächste Hotel einbuchen. Das nächst freie lag dann allerdings glatte 80 Meilen zurück. Super gelaufen! *grmpf
Als wir an die „Rezeption“ gingen und fragten, ob der Typ ein Zimmer für die Nacht hat, hätte uns seine Frage „für die GANZE Nacht???“ ja eigentlich schon stutzig machen müssen. Praktisch war, dass wir das Auto direkt vor der „Zimmertür“ parken konnten. Beim Betreten fielen uns die drei Queensize-Betten auf. Ich will gar nicht wissen, was da sonst stattgefunden hat. Dass allerdings die „Nasszelle“ für geschätzte üblicherweise sechs Personen gerade mal einen Quadratmeter inklusive Dusche gemessen hat …
Na ja, das Abreisen am nächsten Morgen ging schneller denn je! ;)
Spitze, dein Kommentar, liebe Ute.
Mir gefiel das Wort „billig“ am Ende prima. Günstig und preiswert sind eben doch irgendwie etwas Anderes! ;)
hahaha, herrlich beschrieben. es gibt orte auf dieser welt, an denen man sich spontan und für immer unwohl fühlt. und eben das hast du wunderbar beschrieben.
alles liebe, katerwolf
Das war echt während des gesamten Aufenthaltes Schaudern pur! ;)
Dort fanden sicher die Dreharbeiten für ein Remake meiner hochgeschätzten „Rocky Horror Picture-Show“ statt:-) Und nachdem Ihr abgereist ward, wurde die Kulisse sofort abgebaut und deshalb habt Ihr sie nicht mehr gesehen… ist doch logisch:-) Schön geschrieben, liebe Skriptum, liebe Gruselgrüsse Andrea
Ne, liebe Andrea, das Schloss in der Rocky Horror Picture Show sah noch anders aus. DAS wäre ja mal eine ordentliche Vorwarnung gewesen. Aber so? *pöh