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Posts Tagged ‘Bedacht’

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Die Lichter im Saal verdunkelten sich und Ruhe kehrte ein. Diese Ruhe, die trotz aller Bemühungen dennoch mit rascheln und diversen letzten Hustern in der vierten, siebzehnten und fünfunddreißigsten Reihe begleitet ist. Je Rang oder Seite, versteht sich. Die Augen des Publikums ruhen ganz und gar auf der Bühne. Das Orchester hat sich längst eingespielt und wartet auf seinen Einsatz. Der Dirigent steht vor den Musikern, doch er bewegt sich nicht. Noch ein paar gequält unterdrückt wirkende Huster, begleitet von Raschelgeräuschen. Dann müsste es doch endlich losgehen. Aber es passiert nichts. Die Bühne steht still, wie in einer Matrix, die jemand vergessen hat, abzuspulen. Die Blicke der Musiker sind auf den Dirigenten gerichtet, der mit dem Rücken zum Publikum einfach still steht. Die Blicke des Publikums wechseln zwischen einzelnen Musikern, dem Dirigenten und dem jeweiligen Sitznachbarn. Aber es passiert nichts.

Doch plötzlich … als wenn es noch vor dem Saal oder sogar auf der Straße wäre … erklingt etwas. Ein Lied. Ganz sanft; kaum wahrnehmbar. Viele leise Töne reihen sich aneinander. Die Köpfe im Publikum bewegen sich wie in Zeitlupe. Einer nach dem Anderen dreht sich suchend um. Ganz langsam, leise. Um bloß nicht den nächsten Ton zu stören. Die Klänge kommen näher. Schritt für Schritt werden sie mit ebenso viel Bedacht intoniert wie die Füße gesetzt. Eine Klarinette ist zu erkennen. Gespielt von einem Mann, der noch vor wenigen Jahrzehnten seines Lebens bei einem Auftritt nicht sicher gewesen wäre. Der in Deutschland beschämender Weise nicht einmal hätte auftreten dürfen. Ein Mann, der zu späterer Stunde erzählte von gegenseitiger Liebe und Respekt, vom Verzeihen und Miteinander. Von seiner Freude darüber, in dem Moment an diesem Ort zu stehen und für dieses Publikum zu spielen.

Die einzelnen Töne werden vernehmbarer, die Schritte jedoch nicht schneller. Das Husten im Publikum ist einer gespannten Stille gewichen. Einem Knistern, das unhörbar jeden Schritt dieses Mannes trägt, begleitet. Er erreicht die Bühne und spätestens jetzt erkennt jeder Gast im Saal, wie viel Macht und Lautstärke diese leisen Töne in sich tragen, ohne sie zu erkennen geben zu müssen. Der Mann hinter der Klarinette spielt Hava nagila und die Menschen vor ihm sind fasziniert. Von der Stille, der Zartheit und der Fähigkeit, mit fast unhörbaren Tönen Hunderte von Menschen zur Ruhe zu bringen. Der Dirigent steht weiterhin still, die Musiker warten. Das Publikum hält den Atem an. Und als die letzten Töne die Klarinette verlassen, wird die Stille wie das Losschießen einer plötzlich geöffneten Schleuse von tosendem Beifall abgelöst. Willkommen Giora Feidman! Der kleine große Mann steht auf der Bühne, senkt langsam seine Klarinette und lächelt.

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Er wirkte zunächst fast teilnahmslos, als wenn er mit all dem überhaupt nichts zu tun hätte. Ganz gleich, als wäre er zur Sekunde zufällig vorbei gekommen, würde einfach mal reinschauen und ein bisschen Musik machen. Er hat das Publikum von der ersten Sekunde in der Tasche. Und er weiß es, lächelnd. Das scheint für ihn jedoch keine Macht zu bedeuten. Vielmehr sprüht aus seinen Augen einfach die Freude darüber, dass es die Musik erneut schafft, Menschen unterschiedlichster Abstammung mit wenigen Atemzügen zu verbinden. Und dass er das Seinige dazu tun darf. Er stimmt Lieder an und überall im Publikum erheben sich Stimmen, die mit ihm singen. Er frotzelt und witzelt, taucht jeden Zuhörer von einer Sekunde zur nächsten in unterschiedlichste Gefühle.

Sein Zusammenspiel mit dem Dirigenten, Enrique Ugarte, ist beeindruckend und die Einbeziehung eines jeden Musikers des Orchesters zeigt, wie wichtig diesem Mann die Einheit der Menschen ist; egal woher sie kommen. Das Konzert geht dem Ende zu. Bis dahin hat es dieser großartige kleine Mann vermocht, sich völlig unterzuordnen und Sekunden später den gesamten Saal samt allen Musikern durch sein Instrument mit Raffinesse und Lautstärke zu dominieren. Ein Wechselbad jedweden Gefühls hat eine Reise um die Welt unternommen und ist schlussendlich wieder im Konzertsaal angekommen. Mit einer fast unwirklichen Selbstverständlichkeit vereint Giora Feidman mit seiner Klarinette die israelische und deutsche Nationalhymne in einem Titel. ***

Der letzte Applaus erklingt, obgleich noch ein weiterer Titel folgen wird. Doch vor diesem bittet er darum, anschließend nicht zu applaudieren. Das Lied hat weltweit und auch für ihn eine so große Bedeutung, dass er es gern nachklingen wissen möchte, ohne die damit einher gehende Ruhe zur Klatschen zu stören. Und wieder leise, sehr leise, beginnt er das Ave Maria zu spielen. Unwirklich als Schlusstitel eines Konzertes und doch hätte es kein passenderes Stück sein können. Der letzte Ton verklingt, die Musiker verlassen die Bühne und niemand im Publikum hat es wohl gewagt, die Hände auch nur aneinander zu reiben. Geschweige denn zu klatschen, als die Lichter im Saal wieder angingen.

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*** Ich wage kaum die Behauptung, dass noch eine dritte Hymne mit einigen Takten enthalten war. Da ich es leider nicht genau herausfinden konnte, stelle ich jedem anheim, es bei Interesse und Gelegenheit selbst zu ergründen.

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Wer dieses Ereignis wenigstens noch einmal im Radio erleben möchte, dem sei Giora Feidmans Hinweis auf seiner Webseite ans Herz gelegt: „Am 21. Januar 2011 sendet NDR Kultur den Live-Mitschnitt vom Konzert am 26.11.2010 aus dem Großen Sendesaal des NDR in Hannover. Giora Feidman spielt mit dem NDR Pops Orchestra unter Leitung des Dirigenten Enrique Ugarte

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Sorry für das weniger als besch***eidene youtube-Video. Besser habe ich es leider nirgendwo finden können. Aber für einen Eindruck dürfte es reichen, oder? Es handelt sich dabei jedoch nicht um die Veranstaltung beim NDR!

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Das Größte wird das Kleinste sein.
Denn alles gewinnen heißt alles verlieren.

Wir fanden uns,
als wir am wenigsten damit rechneten.

Wir verloren uns,
als wir uns am dringendsten brauchten.

Doch was auch immer war …

Wir werden uns lieben …

Anders vielleicht …

Irgendwann …

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Du bist mein Mann. dafür brauche ich keine amtlichen Stempel. Das empfinde ich … seit ich dich kenne. Ich liebe dich und daran wird sich nichts ändern. Das leben ist nicht immer so, wie wir es uns gern stricken würden. Und doch liegt es an uns, das Garn zu besorgen und das Beste daraus zu machen. Die Nadeln sind mit Bedacht zu führen. So zu führen, dass sie nicht stechen. Nicht dich. Nicht mich. Das haben wir nicht geschafft und ich zerbreche daran, dass es dich in meinem Leben nicht mehr gibt.

Du bist mein Mann. Und darauf bin ich stolz. Das ist es was ich wollte. Gewusst hatte ich es nicht. Mit deinem Anteilnehmen an meinem Leben wurde es mir klar. Nun gibt es dich für mich nicht mehr und ich stelle mir die Frage, was nun bleibt. Ein Leben ohne Leben? Nein. Und genau das ist das Grausamste daran. Ich lebe. Ja. Doch wie … ohne dich …

Du bist mein Mann. Fast wären es für immer gewesen. Das Schicksal hat es anders gewollt und vielleicht sind wir gerade daran zerbrochen. Es war wie das Zeigen von Nahrung und das Wegnehmen trotz des Gefühls, am verhungern zu sein. Ich sah die Speise und noch bevor ich dir etwas davon anbieten konnte, war sie schon verdorben. Vielleicht wäre sie nicht gut für uns gewesen. Vielleicht doch. Ich muss mit diesem Verlust fertig werden und ich weiß einfach nicht, wie ich das schaffen soll.

Du bist mein Mann. Gerade jetzt brauche ich dich mehr denn je an meiner Seite. Vielleicht als so etwas wie einen Verbündeten gegen die Natur … gegen das Schicksal, das uns alles nahm. Gegen die Ungerechtigkeit, es uns zu nehmen, noch bevor wir es wirklich hatten.

Du bist mein Mann. Du hast dich mehr und mehr von mir entfernt. Vielleicht aus Hilflosigkeit. Vielleicht weil auch du einfach nicht wusstest, wie mit dieser Situation umzugehen ist. Aber ich wusste es doch auch nicht. Es war so neu. Es tat so weh. Es gab keinen Ausweg. Kein Rechts und kein Links. Nur geradeaus. Und dort war Leere. Grenzenlos. Dunkel. Kalt.

Du bist mein Mann. Wir hätten uns einfach in den Armen halten … festhalten können. Uns gegenseitig Halt geben können. Wärme. Verstehen. Verständnis darin, dass wir es beide nicht verstehen können. Doch es sollte nicht sein. Es hat nicht funktioniert. Trotz aller Liebe. Trotz allen Verlangens. Trotz allem Zukunftswillen. Vielleicht auch gerade deshalb.

Du bist mein Mann. Auch wenn du es nicht mehr sein willst. Du wirst es bleiben. Weil es gar nicht anders geht. Weil es so ist. Weil Bestimmung und Schicksal mit unseren Gefühlen einen Pakt geschlossen haben. Und dem kann ich genauso wenig entfliehen wie du.

Du bist mein Mann. Du wirst es für immer sein. Du hast dich aus meiner Seele gerissen und diese Lücke blutet. Sie wird nicht gesunden. Vielleicht irgendwann vernarben doch niemals wirklich heilen. Denn das was diese Seele ausmachte hast du mit dir genommen …

… dich.

© skriptum
[04+05/2002]


Ich bitte, diese Serie mit der Bedeutung zu verstehen, die sie seit Jahren hat: Abgeschlossene Vergangenheit! Dazu haben im Nachhinein auch einige Erkenntnisse beigetragen, die tatsächlich zu seinem Verhalten geführt hatten und die „sie“ absolut nicht zu vertreten hatte. Erkenntnisse, die sich durchaus früher hätten einstellen können; die man aber nicht sehen will, wenn Schmetterlinge Salti schlagen. Davon abgesehen ist einiges an Fiktion eingeflossen. Also keine Angst: Es ist alles in bester Ordnung! ;o)

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