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Pollenpest

Oder: Wie ich Dank Heuschnupfen zum Mathematik-Fachleut wurde

Seit Jahren darf ich mir immer wieder von der Pollenpest, landläufig auch „Heuschnupfen“ genannt, eine Menge Energie rauben lassen. Vor ca. 10 Jahren fing es recht harmlos mit einer Überempfindlichkeit gegen Beifußpollen an. Mittlerweile reflektieren meine Atemorgane auf fast alle Pollen, nahezu alle Gräser, die sich gerade überlegen, mal herum zu schwirren und Leute zu nerven.

Natürlich war ich etwas erschrocken, als es nun auf web.de (dpa) hieß, dass die Pollenpestperiode in diesem Jahr noch heftiger als sonst ausfallen wird. Und natürlich interessierten mich die Gründe, warum das so sein soll. Also fing ich an zu lesen und musste dann doch recht heftig lachen:

Es zeigt sich einmal mehr, dass ich selten zunächst so einfach denke, wie es tatsächlich ist. Mir schwirrten spontan Gedanken wie „hammerharter Winter nebst explosionsartiger Austriebe“ und „zu plötzlicher Übergang von sehr kalt auf ganz warm“ im Kopf herum. Aber weit gefehlt: Es ist viel einfacher und liegt nur daran, dass das Jahr 2010 ein gerades Jahr ist!

Samma, sind die alle besoffen, oder was?

Wer es nicht glauben mag (mir fiel es auch schwer, aber nach dreimaligem Lesen muss ich wohl) kann es selbst verinnerlichen:

Später aber heftiger Start in die Heuschnupfenzeit

Später aber heftiger Start in die Heuschnupfenzeit

Mönchengladbach (dpa) – Jetzt beginnt die Zeit der verquollenen Augen und Schniefnasen: Zwar hat der lange Winter vielen von Heuschnupfen geplagten Menschen eine Schonzeit verschafft. Doch der Frühling steht vor der Tür.

Die ersten Haselpollen sind in wärmeren Regionen Deutschlands schon in der Luft, und auch die Erle kommt langsam dazu, heißt es beim Deutschen Allergie- und Asthmabund (DAAB) in Mönchengladbach. „Jetzt könnte es mit Macht beginnen“, sagt die DAAB-Biologin Anja Schwalfenberg. Die früh blühenden Bäume bescheren Millionen von Pollenallergikern die bekannten Symptome: Niesattacken, juckende Augen, Dauerschnupfen und Atemnot, in schweren Fällen auch Bronchialasthma. Schwalfenberg rät Betroffenen, für eine Diagnose zum Arzt zu gehen.

„Es ist ein Jahrgang gegen den Trend der letzten Jahrzehnte“, sagt der Allergologe Horst Müsken aus Bad Lippspringe über den späten Start in die Heuschnupfenzeit. Denn die Pollensaison ist zuletzt immer länger geworden, mit einem immer früheren Auftakt und späteren Ende. Die Haselpollen, die derzeit im Westen der Republik zu fliegen beginnen, waren in milderen Wintern auch schon im Dezember unterwegs.

In diesem Jahr kommt es nach Ansicht der Fachleute zu einem weiteren Phänomen: Weil 2010 eine gerade Jahreszahl ist, wird die Pollenkonzentration vermutlich besonders hoch sein. „Es zeigt sich über viele Jahre ein Rhythmus, wonach jedes Jahr mit einer geraden Zahl mit einem erheblichen Pollenflug verbunden ist, das darauffolgende mit ungerader Zahl aber mit deutlich weniger“, berichtet der Allergologe. Die genauen Gründe seien noch unklar.

Vermutlich wird in diesem Jahr die Blüte von Hasel, Erle und Birke zeitweise parallel verlaufen. „Wir werden sehr viele Pollen haben“, prophezeit Müsken, der auch im Vorstand der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst ist. Es gebe eine Reihe von Menschen mit einer Disposition für einen Heuschnupfen, bei denen eine starke Einwirkung großer Mengen an Allergenen das Fass nun zum Überlaufen bringen könne.

Bundesweit gibt es etwa 20 Millionen Allergiker, mit steigender Tendenz. „Der Trend der Zunahme ist noch nicht gebrochen“, sagt Müsken. Etwa die Hälfte der Allergien geht auf das Konto von Pollen. Litten früher die meisten Heuschnupfen-Kranken unter den Gräsern, so hat die Birke dicht aufgeholt. Ihre Pollen gelten als besonders aggressiv – und der Baum setzt in kurzer Zeit scharenweise Pollen frei.“

Und da sind sie wieder: Die zitierten „Fachleute“! Zunächst sollte vielleicht erstmal die Frage geklärt werden: Was sind „Fachleute“? Ich suche ja seit Jahren eine offizielle Form der Definition des Wortes „Fachleute“. Was genau ist also ein Fachleut?

Zahnarztfrauen sind ja Fachleute für die Wirkung von Zahncrème. Jeder Idiot weiß, dass Zahnschmelz nie wieder ersetzt werden kann. Ist er einmal weggeschreddert, kann man da nüscht mehr machen. Insofern verwundert es keinesfalls, dass Zahnärzte selbst in Werbefilmchen nicht behaupten, es gäbe eine Zahnpasta, die kaputten Zahnschmelz ersetzt und somit repariert. Da ihre Frauen aber jeden Morgen neben einem Zahnarzt aufwachen, sind sie Fachleute. Stimmt’s?

Oder:

Jemand, der schon einmal eine Heizung gesehen hat, ist ein Wärme-Fachleut?
Jemand, der eine Sonnenbrille besitzt, ist ein Klima-Fachleut?
Jemand, der als Kind im Sandkasten gebuddelt hat, ist ein Agrar-Fachleut?
Jemand, der einen Kopierer bedienen kann, ist ein Urheberrechts-Fachleut?
Jemand, der schon einmal ein Flugzeug am Himmel gesehen hat, ist ein Reise-Fachleut?
Jemand, der mal eine Hausratversicherungspolice gesehen hat, ist ein Brandschutz-Fachleut?
Jemand, der mal an einem Fitness-Center vorbei gegangen ist, ist ein Sport-Fachleut?
Und jemand, der weiß, wie man eine Banane unfallfrei pellt, ist ein Ernährungs-Fachleut?

Ach ne: Da kommen wir dann vermutlich schon in den Bereich der „Experten“. Das würde den hiesigen Rahmen nun wirklich sprengen!

Aber so ungefähr ist es doch mit Fachleuten, oder?

Ja?

In etwa?

Na, dann ist mir alles klar!

Das erklärt auch, wie beispielsweise die Panik im Hinblick auf die Schweinegrippe, die gar nichts mit Schweinen zu tun hatte, zustande gekommen ist. Aber die WHO war ja so entgegen kommend, das tatkräftig zu unterstützen. Klar: Da sitzen vermutlich auch Tausende von Fachleuts.

Okay: Zurück zur Pollenpest! Wird es dagegen eine Massen-Impfung geben? Welche Schutzmaßnahmen werden weltweit getroffen und wird es jemals einen Fachleut geben, der tatsächlich etwas von dem versteht, was er öffentlich elaboriert? Werden die Medien sich irgendwann besinnen, was Journalismus tatsächlich bedeutet und nicht mehr jede Schote für die Quote verkloppen? Und muss man als potentieller Leser/Zuhörer/Zuschauer wirklich jeden Scheiß glauben, der einem vorgesetzt wird?

Nö, nä?!

Gut so. Ich flitze dann trotzdem mal los und besorge mir eine Palette Kleenex-Boxen. Sicher ist sicher. Wer weiß schon, ob nicht irgendein Fachleut den verdammten Pollen das Lesen beigebracht hat. Wenn DIE diese Meldung sehen ist gar nicht auszudenken, was sie tatsächlich anstellen werden. Jetzt haben sie ja einen Freibrief. Und ich das Nachsehen. Obwohl ich es deutlich vor ihnen gesehen habe. Es sei denn, diese Information wurde den Pollen bereits vorab in einem vertraulichen Brief mitgeteilt. Aber dann wäre die Pharma-Industrie ja schon mit der Herstellung von entsprechenden Impfstoffen beschäftigt und könnte endlich aufhören, die Schweinegrippe-Dosen unter das Volk jammern zu wollen.

Übrigens ist die Quersumme aus 2010 = 3. Also ungerade. Aber ob das jetzt noch irgendwas raus haut, darf wohl bezweifelt werden … Allerdings werde ich mich ab sofort ganz unerschrocken Mathematik-Fachleut nennen. Gleiches Recht für alle; jawoll! Und eine Impfung brauche ich dagegen auch nicht. Nüchtern betrachtet, versteht sich!

© skriptum

Werbung

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Durchaus zähle ich mich zu den Menschen, die sich selbstredend absolut nicht, also sozusagen in gar keiner Weise, von Werbung beeinflussen lassen. Warum auch? Handelt es sich letztendlich doch immer nur um das Wecken von Bedürfnissen und nicht darum, tatsächliche Notwendigkeiten zu befriedigen. So saß ich also eines Abends mal vor dem Fernseher und wollte zu Entspannungszwecken einen Spielfilm genießen. Welchen weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr, da ich seit dem völlig durcheinander bin.

Es war wie gesagt abends. Ich hatte einen anstrengenden Tag hinter mich gebracht und suchte leicht verdauliche Ablenkung. Da ging es los. Wieder einmal. Immer wenn ein Film gerade spannend wird, wenn überhaupt mal ein Film spannend wird, wird das Programm unterbrochen und der Zuschauer wird überhäuft mit mehr oder weniger, eher weniger, spannenden Verbraucher-Informationen.

Früher hieß es schlicht Werbung aber im Zeitalter von diversen Rechtschreib-Reformen und allgemeiner Verklauselung einfachster Begriffe muss man ja schon aufpassen, nicht plötzlich irgendwas beim falschen Namen zu nennen. So bitte ich bereits jetzt um Entschuldigung, falls es sich bei den bunten Bildchen, die jede mögliche Spannung eines Films oder Beitrags in Sekunden zu zerstören im Stande sind, inzwischen nicht mehr um Verbraucher-Informationen handeln sollte, sondern um etwas anderes, dessen Sinn zwar exakt der gleiche ist, sich mittlerweile nur anders nennt.

Nun gibt es ja durchaus Stimmen die behaupten, dass die Werbepausen, oder wie auch immer sie aktuell genannt werden, gut dazu geeignet sind, sich mit frischen Getränken einzudecken, auf die Toilette zu gehen oder auch einfach mal den Nebensitzer anzusehen. Erstere hatte ich noch bei mir, Letzterer war nicht verfügbar und so oft, wie Verbraucher-Informationen gesendet werden, kann ich gar nicht auf die Toilette. Also ich könnte natürlich schon aber was soll ich da wenn ich nicht … Also blieb ich sitzen und sah mir an, was die Disposition des eingeschalteten Senders über den Tag in mühevoller Kleinarbeit für mich und Millionen weitere Zuschauer zusammengestellt hatte.

Zunächst wurden mir die Vorzüge von Ladival Sonnenmilch verbildlicht. Was mich zu der Frage brachte, ob ich in Anbetracht der Tatsache, dass wir in diesem Jahr nun wohl doch noch einen Sommer bekommen zu der Frage brachte, ob ich überhaupt noch Sonnenmilch vorrätig habe. Also ging ich doch ins Badezimmer und prüfte, ob mein Einkaufszettel einer Ergänzung bedarf. Er bedurfte nicht. Noch im Bad stehend hörte ich von Nivea Deo, was in mir gleich zwei Fragen, nach Deo und nach Body-Lotion, aufwarf. Beides war ebenso vorhanden wie Sonnenmilch.

Auf dem angetretenen Rückweg ins Wohnzimmer ertönte der Hinweis auf Sahne Joghurt von Zott, was mich einen Abstecher in die Küche und dort zum Kühlschrank unternehmen ließ. Aber auch in den Punkt brauchte ich nicht den Stift zu zücken. Ich bevorzuge zwar eine andere Marke, die ich hier natürlich zur Vermeidung von Schleichwerbung vermeide zu erwähnen, aber Joghurt im Allgemeinen war noch ausreichend vorhanden. Beruhigt wollte ich ins Wohnzimmer zurückkehren als mich ein Hinweis auf Aspirin plus C erneut ins Badezimmer verschlug. Vorhanden und abgehakt. Auch Paracetamol, nur für den Fall, dass das einer der nächsten Spots wäre, war noch in ausreichender Menge verfügbar.

Bei 200 x Mediamarkt ließ ich mich beruhigt in meinen Sessel zurückfallen. Das interessierte mich nun wirklich nicht und auch Herr und Frau Kerners Hinweis auf Wurstwaren von Gutfried erzeugten in mir höchstens eine wissende Ruhe. Einen eigenen Hund habe ich nicht, so dass Pedigree völlig ungerührt an mir abprallte. Nur bei Hot Pockets wurde ich schwach. Vorrätig sind sie in meiner Kemenate nicht und Appetit darauf habe ich, seit dem ich zum ersten Mal Zeuge eines Werbespots für dieses Produkt wurde. Ändern konnte ich das jetzt nicht, denn die Läden waren um diese Zeit geschlossen und um zwischendurch einzukaufen waren die Sende-Blöcke der Verbraucher-Informationen dann doch zu kurz.

Bei Seccito von Freixenett wurde ich noch unruhiger. Prosecco stand seit Tagen auf meinem Einkaufszettel. Nur hatte ich es leider noch nicht geschafft, welchen zu besorgen. Mönsch, das wär’s jetzt … Ich rannte zurück in die Küche, um zu prüfen, ob sich nicht doch noch irgendwo eine Flasche davon befand. Nein, befand sich nicht. Statt dessen kam ein zweiter Spot für Hot Pockets, was ich mit einem laut motzenden „Jahaaa! Ich hab’s gehört!“ quittierte. Das wiederum hatte zur Folge, dass mir Biofax Entwässerungskapseln nahegelegt wurden. War das ein Zeichen? Auch das anschließend benannte Nestlé-Produkt Fitness fettarm ließ mich stutzen. Aber es trieb mir nicht gerade die Haarspitzen zu Berge, so dass ich den Spot für Haar Gel von Shock Waves nicht ganz einordnen konnte. Allerdings brachte er mich zu der Frage, ob ich noch genügend Shampoo und Spülung vorrätig hatte, was mich erneut ins Badezimmer trieb.

So stressig hatte ich mir meinen Fernsehabend dann doch nicht vorgestellt. Bei Reisfit 1-2-Reis konnte ich dann einen Gang zurückschalten; nenne ich doch seit langem einen Reiskocher mein Eigen und kaufe längst keinen Reis mehr in Tüten oder sonstigen, fest definierten Portionierungen. Die Scholl Party Feet-Dinger hätte ich allerdings gern. Bei meinem Rumturnen in der Wohnung litten meine Füße inzwischen nicht ganz unerheblich. Der danach folgende Hinweis auf Reisfit Risbellis Reiskekse trieb mich direkt zurück ins Wohnzimmer um zu prüfen, ob ich noch was zum Schnabbeln vorrätig habe. Was jedoch geschmacklich nicht ganz stimmig mit Spee Megapearls einzustufen möglich war. Ich sank zu Boden und versuchte mich, statt nun erneut ins Badezimmer zu rennen, einfach daran zu erinnern, ob ich noch genügend Waschmittel im Haus habe.

Den Spot für JoBu von Meggle ließ ich ungerührt an mir abprallen. Joghurt hatte ich ja noch. Zur Verwendung von Eucerin hätte ich gern erstmal geduscht; insbesondere nach dieser Hektik. Und bei Kiri Sahne-Frischkäse schaltete ich komplett auf stur: Ich werde grundsätzlich skeptisch, wenn Rindviecher in Werbespotts anfangen zu reden. Da war der Hinweis auf Aronal und Elmex schon sinnvoller. Obgleich ich es nicht für folgerichtig halte, nach dem Zähneputzen noch Rotella von Haribo zu essen. Von dem prominenten Darsteller im Spot mal ganz abgesehen. Der weckt in mir eher Alpträume, als dass er geeignet wäre, mir eine angenehme, dem Zähneputzen potentiell folgende Nachtruhe zu bescheren. Im möglichen Gegensatz zu der neuen CD der Back Street Boys, die ich ja notfalls zum Einschlafen ganz leise stellen könnte.

Es war geschafft. Tatsächlich: Die Werbepause war überstanden. In meinen Teppich hatte ich inzwischen Riefen gelaufen aber gegessen hatte ich doch nichts. Also flitzte ich zurück in die Küche, um mir noch schnell einen Joghurt zu holen, bevor der Film weiter ging. Das klappte fast: Die entscheidende Auflösung der Szene, die von der Verbraucher-Information unterbrochen wurde, verpasste ich, weil mir beim rasanten Öffnen des Kühlschranks ein rohes Ei auf den Boden klatschte, das ich selbstredend und angeekelt entfernen musste, bevor ich ins Wohnzimmer zurück gehen konnte. Das machte aber die Verfolgung des restlichen Films recht unbefriedigend, so dass ich ab diesem Moment einfach auf den nächsten Werbespot wartete. Vielleicht hat ja bis dahin jemand Kühlschranknetze erfunden, die runter fallende Eier automatisch auffangen und zu Rührei in Schale verwandeln. Die vertreibende Firma war mir dabei eigentlich völlig egal. Hauptsache ich würde in Zukunft keine Filmfortsetzungen mehr verpassen, nur weil mir so ein blödes Ei aus dem Kühlschrank fällt.

Ist es nicht schrecklich, wie beeinflussbar man heutzutage von Werbung ist?

© skriptum
[06/2005]

Im Zweifel sind alle Wörter und Bezeichnungen in diesem Text irgendwie rechtlich geschützt! ;o)

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