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Posts Tagged ‘Tagesordnung’

 

Ich kann mich einfach nicht entscheiden. Womit soll ich nur anfangen?

Damit, dass es auf dieser Welt doch eine Weckvorrichtung gibt, die keine Sekunde Verzögerung zulässt, bis ich nicht nur die Augen aufschlage (mit Karacho!), sondern zeitgleich senkrecht neben meinem Bett stehe? Toll wäre es, wenn man das noch exakter terminieren könnte. Oder fange ich besser damit an, dass ein männlicher Vorname ab sofort auf meiner „ich will das nie wieder hören“-Liste steht?

Ich könnte auch damit anfangen, dass ich durch den unvermittelten Einsatz von Schlagbohrmaschinen noch aus meiner Zeit beim Sender massiv geschädigt bin. Im alt ehrwürdigen Anzeiger Hochhaus in Hannover musste seinerzeit die gesamte Fassade aufgebohrt werden. Stück für Stück für Stück für Stück. Das kam zwar unserer Telefonrechnung zugute, da sowieso kein Wort zu verstehen war, zerrte aber gewaltig an den Nerven. Geht das über Monate und spielt sich gefühlthört komplett direkt vor dem eigenen Fenster ab, ist man irgendwann fast reif für die Klapse.

Mittlerweile arbeite ich seit ungefähr sieben Jahren zuhause. Dass es in diesem Wohnpark aus mir noch nicht nachvollziehbaren Gründen ständig lauter zu werden scheint, ist eine Sache. Dass ich heute früh, ausgesprochen unsanft und ohne Ankündigung, von einer Schlagbohrmaschine und der damit unvermeidlich verbundenen Geräuschpegelerhöhung bei Einführung in festes Mauerwerk geweckt wurde, ist eine andere. Von dem Umstand, dass völlig unvermittelt das Bett anfing zu vibrieren, einmal ganz abgesehen (keinen Spruch jetzt! *g).

War es der gellende Schrei, der mich aus meinen Träumen riss? Sowas kann ja etwas Gutes haben. Allerdings zukünftig bitte nie wieder, wenn ich gerade einmal drei Stunden geschlafen habe. Denn das anschließende Einschlafen, insbesondere wenn über Stunden mit Schlag gebohrt wird, gestaltet sich doch recht desaströs bis unmöglich. Eher das Letztere.

Vielleicht hat mich aber doch die Tatsache stutzen lassen, dass sich plötzlich etwas an meinem Balkon vorbei nach oben bewegte? Das ist im zweiten Stock nicht so ganz an der Tagesordnung. Und selbst im Halbschlaf, oder in dem Fall vermutlich bestenfalls 1/17-Schlaf, war ich mir sicher, dass bis gestern Abend an der Brüstung noch keine Leiter stand. Bei genauerer Betrachtung waren es sogar zwei: Eine, damit Wesen aller Art hoch und runter klettern konnten und eine zweite zum Transportieren von Lasten.

Ich habe die putzwunderliche Eigenart, gern vorab informiert zu werden, wenn etwas veranstaltet wird, was für mir unbekannte Menschen eine potentielle Einstiegsmöglichkeit über meinen Balkon in meine Wohnung schafft. Menschen, die ich definitiv nicht in meiner Kemenate haben will. Das mag ein Tick, eine Marotte oder einfach eine Macke sein. Zur Pflege meines Wohlgefühls halte ich es jedoch für zwingend erforderlich. Leider scheint das nicht jeder so zu sehen. Nö, warum auch?! Wenn es nicht die eigene Wohnung ist, die für Einbrecher & Co. zum Einstieg freigegeben wird, ist das ja auch nicht so relevant, hm?!

Nun sind Schlagbohrmaschinen ja relativ laut. Diejenigen, die mit diesen Höllenmaschinen arbeiten, tragen üblicherweise einen Ohrenschutz. Diejenigen, die von den Dingern aus dem Schlaf gerissen werden, üblicherweise nicht. Gleiches trifft auf den Einsatz von Laubsaugern zu. Wenn diese bei einem tendenziellen Hof-Charakter gleichzeitig in einer Stückzahl von sechs eingesetzt werden, muss ich vermutlich den damit verbundenen Lärmpegel nicht näher erläutern. Die sechs Laubsaugerhalter trugen auch Ohrenschützer, ich nicht.

Der Schlagbohrmaschinenbediener da über mir trägt vermutlich ebenfalls Ohrenschützer. Woher ich das weiß? Weil ich ca. eine viertel Stunde benötigt habe, um zu ergründen, was sein permanent gekrähtes „DÄÄÄÄLÄÄÄÄÄÄÄ!!!!!!!!!!“ sein soll. Ich befürchtete schon, er hätte sich in den Fuß gebohrt. Aber Irrtum: Er brüllte nur alle paar Sekunden nach seinem Kollegen „Detlev“. Der wiederum schien sich weder in Ruf- noch in Brüllweite aufzuhalten, was eine mehrfache Wiederholung von „DÄÄÄÄLÄÄÄÄÄÄÄ!!!!!!!!!!“ notwendig zu machen schien. Ich bin ja in solchen Fällen für den Einsatz von Funkgeräten. Aber mich fragt ja wieder keiner.

Ich Dummerchen dachte, dass der Schlagbohrmaschinenbediener möglicherweise irgendwas vergessen hätte, was ihm „DÄÄÄÄLÄÄÄÄÄÄÄ!!!!!!!!!!“ über einen der Zufahrtsgangswege, vorbei an meinem Balkon, rauf auf den darüberliegenden, schicken oder bringen soll. Aber nein, wie blöd, darum ging es natürlich nicht: „DÄÄÄÄLÄÄÄÄÄÄÄ!!!!!!!!!!“ sollte den Schlagbohrmaschinenbediener mal fotografieren. Ich könnte jetzt fragen, wozu. Für Bewerbungsfotos? Soll ich ihm sagen, dass er dafür keine Fotos mehr braucht?

Warum? Weil ich jetzt von zehn runterzählen werde. Wenn dann noch ein einziges Mal „DÄÄÄÄLÄÄÄÄÄÄÄ!!!!!!!!!!“ kommt, hat sich für den Guten jede Form von Bewerbung vorerst sowieso erledigt: Mit zwei gebrochenen Beinen und Armen, sowie diversen Rippenprellungen arbeitet es sich schlecht als Bauarbeiter. Wenn die über Leitern vom Erdboden in den dritten Stock, vorbei an meinem in der zweiten Etage liegenden Balkon, kommen, werde ich es vermögen, ab zweiter Etage aufzusteigen und das eine Stockwerk hochzuklettern. Und dann sei ihm welche höher Macht auch immer gnädig … Dann helfen ihm auch die soeben von „DÄÄÄÄLÄÄÄÄÄÄÄ!!!!!!!!!!“ (noch 9!) angeforderten Knieschoner nix mehr!

Ich weiß noch, wie diese Firma das letzte Mal vor zwei Jahren hier war. Ohne jede Ankündigung war plötzlich das gesamte Haus eingerüstet. Das war für potentielle Überraschungsgäste natürlich noch viel bequemer, als heute diese dusseligen zwei Leitern. Damals gab es keinen „DÄÄÄÄLÄÄÄÄÄÄÄ!!!!!!!!!!“, dafür einen „UWÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄ!!!!!!!!!!“. Letzterer klärte seine Kollegin, die nicht gemerkt hatte, dass er unter ihr saß (Sachen gibt’s … *tse) darüber auf, dass sie langsam machen solle, sonst müssten sie noch auf eine andere Baustelle. Er meinte natürlich das Arbeiten … oder das, was sie darunter verstanden.

Wer jetzt jedoch vermutet, dass die beiden besonders gründlich gearbeitet hätten, der irrt. „UWÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄ!!!!!!!!!!“ machte seinerzeit ganz in Ruhe bis zum Feierabend Päusken auf meinem Balkon. Ihm dazu einen Kaffee anzubieten, hatte ich mir gerade noch verkniffen. Auch hatte ich darauf verzichtet, ihm ein Polster für den Stuhl (oder zwei, falls seine Kollegin runterkommen wollte) herauszugeben und eine Tischdecke aufzulegen. Das war aber auch nicht notwendig; er fühlte sich offensichtlich auch so, ungefragt sauwohl auf MEINEM Balkon!

Die heutigen Arbeiten ergeben sich aus dem Umstand, dass beim letzten Mal saumäßig gepfuscht worden war und die Firma nun nacharbeiten muss. Oder findet Ihr rote Außen-Klinker schön, an denen bei jedem Regen weiße Farbe herunterläuft, die möglicherweise (nur eine Vermutung, ich bin ja kein Fachmann) gar nicht für die Verwendung im Freien geeignet ist? Ich nicht. Den Einsatz von Schlagbohrmaschinen, wenn ich gerade mal drei Stunden geschlafen habe, finde ich allerdings auch nicht so prall. Und dass „DÄÄÄÄLÄÄÄÄÄÄÄ!!!!!!!!!!“ (noch 8!) eine „doofe Logik“ hat, interessiert mich nicht einmal wenig.

Mittlerweile scheinen sie abzubauen. Allerdings haben sie gerade innerhalb der Diskussion mit einem meiner Nachbarn angedroht, morgen wiederzukommen. Herr Nachbar macht sich (wohlwissend vom letzten Mal?) Sorgen um seine (wirklich!) wunderschönen Rosenbeete an seiner Terrasse. Dort werden dann wohl morgen irgendwann mittenrein zwei Leitern gestellt. Da kennen die Kumpel ja nix. Ist ja auch nicht ihrs, müssen sie ja nicht schonen. Und Nacharbeiten, die doch schon nach zwei Jahren erfolgen … Ja nun, da muss man ja um einen Tag nicht pingelig werden.

Man könnte sich jetzt die Frage stellen, warum die auf der linken Seite des Hauses nicht gleich weiter machen. Es ist erst kurz nach 12 Uhr mittags und dann wären sie an einem Tag fertig. Anscheinend haben sie aber schon Feierabend. Super! Eine Leiter haben sie bis auf die erste Etage eingezogen. Die Nachbarin wird sich freuen. Der zweite Direkt-Zugang auf meinen Balkon steht da nach wie vor. Kann man eine ca. 10 Meter lange Leiter durch Antippen umkippen? Wenn es sein muss, kann ich auch ganz doll tippen! Vielleicht gucke ich gleich mal, wo sie dann landen würde.

Vermutlich haben die Typen einfach viel mehr Spaß daran, mich morgen früh wieder zu absolut unchristlicher Zeit mit einer Schlagbohrmaschinen-Attacke aus dem Schlaf zu reißen, statt die Nummer an einem Tag durchzuziehen. Im Moment ist die plötzliche Ruhe einfach nur unheimlich. Könnte mich bitte mal einer von Euch völlig unvermittelt anbrüllen? Ich spendiere auch einen Kaffee auf meinem Balkon. Und bis morgen früh könnte ich mir eine Schrotflinte besorgen. Wenigstens das werde ich wohl im Verlauf des restlichen Tages entscheiden …

Oh, ich höre gerade, dass es doch heute noch weitergeht. Allerdings auf meiner, nicht auf der anderen Hausseite. „DÄÄÄÄLÄÄÄÄÄÄÄ!!!!!!!!!!“ (noch 7!) soll vier halbe Eimer irgendwas besorgen. Ob ich rausgehe und verrate, dass zwei ganze Eimer dem Transport zuträglicher wären? Nein, dann wird mein Kaffee kalt und ich muss auch erstmal los. Vielleicht sind sie durch, bis ich wieder da bin und wenn nicht, quäle ich Euch vielleicht mit weiteren Berichten. Nur nicht heute. Ich muss unbedingt ganz früh ins Bett. Wer weiß, wann ich morgen geweckt werde?!

 

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Ach, wäre es nicht schön, …

 

[nur eine subjektive Meinungsäußerung]

… wenn die Politik wieder unabhängig wäre? Politiker können nicht neutral über Wirtschaft und Industrie entscheiden, wenn sie von ihnen bezahlt werden. Politiker, die Nebenjobs ausüben, Posten in Vorständen und Aufsichtsräten großer Unternehmen besetzen, können nicht objektiv urteilen. Unverzichtbar ist außerdem eine Offenlegung aller Diäten, Gehälter, sonstigen Besoldungen, Ruhe- und Übergangsgelder. Gleiches gilt für Pensionsansprüche. Nur so ist es dem Wähler möglich zu entscheiden, ob die erbrachten Leistungen von Politikern in einem fairen Verhältnis zu seinen Einkünften stehen.

Beitragsfrei erworbene Pensionsansprüche bzw. Ruhegehälter von Politikern müssen endlich Teil der Geschichte werden. Diesen Luxus kann sich unser Land seit Jahrzehnten nicht mehr leisten. Politiker müssten stattdessen, wie sie es von den Wählern ja auch permanent fordern, für ihre Altersabsicherung selbst und privat vorsorgen. Sprüche wie „Die heutigen Rentner zocken die Jugend von morgen ab“ dürfen ausgerechnet von Politikern nicht kommen; sie sollten strafrechtliche Konsequenzen haben. Pensionsansprüche sollten nur durch Abgaben während der aktiven politischen Tätigkeit erworben werden können.

Außerdem dürfen diese Ansprüche maximal für die Zeit erworben werden, in der ein politisches Amt frei von Betrügereien und groben Verfehlungen ausgeübt wurde. Nachgewiesene Misswirtschaft, deren Maßstab beispielsweise durch den Bund der Steuerzahler angelegt werden könnte, und strafrechtlich relevantes Verhalten müssen wieder zum sofortigen Entzug sämtlicher bis dahin erworbener Pensionsansprüche führen. Parlamentszugehörigkeiten von wenigen Jahren können zudem keinen 100 %igen Pensionsanspruch rechtfertigen. Dieser wird aktuell bis zu einer Höhe gewährt, für die normale Bürger mehrere Leben lang arbeiten müssten.

Dieses Ungleichgewicht belastet die Rentenkasse auf unfinanzierbare Weise. Von nachgewiesenen Steuerverschwendungen einmal ganz abgesehen. Nicht nur deshalb ist es höchste Zeit, dass in die Politik dieses Landes endlich wieder Anstand und Moral, Fairness und Aufrichtigkeit einzieht. Danach auch noch Mut und Menschlichkeit, Hilfsbereitschaft und Verantwortungsbewusstsein für das Volk zu erwarten, wäre vermutlich zu viel Optimismus. Solidarität und Loyalität mit dem Wähler muss jedoch auf jeder Tagesordnung stehen.

Nur so kann Gerechtigkeit funktionieren. Um diese Ziele zu erreichen, ist es unverzichtbar, das Volk mehr mitbestimmen zu lassen. Erst dann fühlt sich der Wähler wieder ernst genommen und durch Politiker tatsächlich vertreten, statt getreten. Volksentscheide sollten in Deutschland genauso selbstverständlich sein, wie beispielsweise in der Schweiz. Wirkliche Demokratie und Mitbestimmung erfordern Courage, die jedoch von den meisten Politikern nur noch gezeigt wird, wenn es um ihre eigenen Belange geht. Dafür wurden sie jedoch nicht vom Volk gewählt.

Andere Beamte, wie Polizei und Feuerwehr, ebenso wie Rettungskräfte und viele weitere, zeigen täglich Einsatzbereitschaft für ihre Mitbürger. Sie riskieren im schlimmsten Fall sogar ihr Leben für gänzlich unbekannte Menschen. Sei es durch Verletzungen im Einsatz, durch Infektionen oder sogar Tötungen. Sie sind die wahren Volksvertreter, werden jedoch wesentlich geringer entlohnt, als der „günstigste“ Politiker. Auch diesem Ungleichgewicht sollte Einhalt geboten werden. Ehrenamtliches Engagement, ohne dass dieses Land längst nicht mehr funktionsfähig wäre, sollte stärker belohnt werden.

Anreiz könnten Rentenzuschläge für besonders engagierte Menschen sein, deren Einsatz unverzichtbar ist, das Gemeinwesen nachhaltig stützt. Ein ähnlicher Anreiz wäre die Abschaffung von Studiengebühren während der Regel-Studienzeit. Studenten sollen Zeit zum Lernen haben, um den Staat in späteren Zeiten bereichern zu können. Je mehr Ablenkung durch Notwendigkeiten wie Nebenjobs erfolgt, desto aussichtsloser ist es, dass sich Fachkräfte im eigenen Land überhaupt entwickeln können. Notstände in Pflege und sonstigen Bereichen könnten im sprichwörtlichen Handumdrehen behoben werden, wenn die Mitarbeiter endlich wieder fair entlohnt würden, und zwar deutlich über 1 Euro/Stunde oder 400 Euro/Monat mit dadurch entstehender Notwendigkeit zum Hartz IV-Bezug.

Die Gerechtigkeit fängt jedoch nicht erst in der breiten Öffentlichkeit an: Mit Geburt eines Kindes sind viele Freuden und Rechte verbunden. Leider resultieren die Pflichten oftmals aus Täuschungen. Einem Mann, der gegenüber einem Kind und ggf. der Mutter für Jahrzehnte in der Pflicht steht, weil er einmal mit ihr Sex hatte, muss es möglich sein, die Erzeugerschaft zu prüfen. Es kann nicht sein, dass diejenigen die täuschen können ebenfalls darüber entscheiden, ob die mögliche Täuschung überprüft werden darf. Behaupteten Erzeugern muss ein Vaterschaftstest auf Wunsch straffrei gestattet sein, damit sie nicht für den Rest ihres Lebens nackt dastehen.

Eine andere, reine Privatsache, die letztendlich jedoch Millionen von Menschen betrifft, ist die Organspende. Jeder Mensch sollte von Geburt an als Organspender gelten. Natürlich steht es jedem Bürger frei, Organspende und Organerhalt zu widersprechen oder einzuschränken. Dem Thema Organspende nahe ist die Sterbehilfe. Hier bedarf es selbstverständlich sehr kompetenter Beurteilung. Sterbehilfe darf jedoch nicht grundsätzlich bestraft werden. Artikel 1 Grundgesetz regelt, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Wer, wenn nicht jeder Mensch selbst, kann entscheiden, was er als würdevoll empfindet?

Um Politik wieder näher ans Volk zu bringen, bedarf es auch einiger unpopulärer Entscheidungen. Diese sind von sog. etablierten Parteien kaum zu erwarten. Große Worte ohne Taten gab es jahrelang. Das Geschachere um lukrative Posten, ohne erkennbare Kompetenz, muss aufhören. Wohin das führt erkennt inzwischen sogar jeder Idiot, der gestern erst vom Baum gefallen ist: Schwarz/Rot ist kläglich gescheitert. Schwarz/Gelb desastrierte schon vor der Vereidigung. Als nächstes soll Schwarz/Grün auf des Kundesbanzlerins Wunschzettel stehen. Bleibt zu hoffen, dass wenigstens der Weihnachtsmann blind ist. Denn die Resultate der letzten Jahre sind bestenfalls als beschämend zu bezeichnen. Wie lange soll das noch so weitergehen? Ist es nicht höchste Zeit für tatsächliche Bürgernähe? Ich fände das schön!

 

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Dieses Dröhnen in mir

 

Ich wiege den Cognac-Schwenker in meiner Hand und stehe am Fenster. Es wird dunkel und ich bin froh, diesen Tag überstanden zu haben. „Hauptsache er ist vorbei“ geht es mir durch den Kopf als ich den Mond schemenhaft sehe, wie er langsam hinter einem Haus hervor kommt und Frieden verspricht. Ich nippe am Glas und fühle, wie sich der Schluck meinen Hals hinab seinen Weg in meinen ungefüllten Magen bahnt. Die Dämmerung beruhigt mich, wirkt wie ein Schutz gegen das Böse der Welt.

Das Glas auf den Esstisch stellend verlasse ich den Raum, streife mir meine Kleidung vom Körper und genieße eine heiße Dusche. Meine Art, etwas Unangenehmes von mir abzuspülen. Je unangenehmer das Ereignis desto länger die Dusche. Das heiße Wasser auf meiner Haut tut mir gut, gibt mir neue Kraft, wärmt mich und lässt mich für ein paar Minuten die Welt um mich herum vergessen. Aus dem Wohnzimmer höre ich Laith Al-Deen, wie er versichert „Ich will nur wissen“. Ja, ich wollte auch nur wissen …

Seit zwei Wochen hatte ich mich vor diesem Termin gefürchtet. In den letzten Tagen überkamen mich wieder und wieder Fieberschübe, die ich mit grippalem Schnickschnack abtat, um möglichst normal bei meiner selbst definierten Tagesordnung zu bleiben. Und doch nahm ich es zum Anlass, sie vor mich hin leugnend als möglichen Grund zu nehmen, den Termin im INI [*] abzusagen. Obgleich ich mir durchaus im Klaren darüber war, dass ich letztendlich nicht umhin kam, mich der Untersuchung zu stellen.

Mit Sonne begrüßte mich dieser Tag und versprach schön zu werden. Doch nicht jedes Versprechen wird gehalten. Ich zitterte, als ich den ersten Becher Kaffee trinken wollte. Mit „nur zu wenig Schlaf“ versuchte ich, mich zu beruhigen. Versuchte, die Unruhe in mir zu besänftigen. Ich zog mich an und ließ die Lederjacke an der Garderobe hängen. Das Thermometer zeigte 21 °C. Ein übergehängter Pulli würde sicher reichen. Ich nahm meine Tasche, in der sich von Mal zu Mal mehr Röntgen-Aufnahmen sammeln, und fuhr los. Zunächst zu meiner Hausärztin, um mir eine Überweisung zum Neurologen zu holen, bei dem ich dann für heute die Überweisung ins INI bekam. Ab drei Arztpraxen pro Tag verlässt mich die Motivation; reagiere ich allein schon auf die Erwähnung von „Arzt“ allergisch.

Der Weg ins INI war wie das Bewegen in Luft leerem Raum. Jeder Schritt wie mit Blei an den Füßen. Mein Gang war geduckt und ich versuchte, mich aufzurichten, was nicht gelang. „Kopf hoch“ war ein Befehl, den ich an diesem Tag trotz ständiger Wiederholung schlicht verweigerte. Beim Betreten des Instituts quälte ich mir ein möglichst freundliches „Guten Tag“ heraus, als ich den Empfangsbereich passierte. „Im Gebäude: 1. Etage rechts (MR 2 ausgeschildert)“ entnahm ich zum wiederholten Male der Wegbeschreibung. Idiotensicher. Eigentlich. Ich verlief mich trotzdem. Eine Schwester wies mir den Weg und ich meldete mich an.

Mal wieder ein Fragebogen, den ich auszufüllen hatte. Mal wieder eine Erklärung unterschreibend, dass ich mit allem einverstanden bin, obgleich ich im Voraus gar nicht wissen konnte, was genau passieren würde. Den Hinweis wortlos zur Kenntnis nehmend, alle am und im Körper befindlichen Metallteile vor der Untersuchung unbedingt abzulegen. Sollte ich mir mein rechtes Handgelenk nun aufschneiden, um das darin befindliche Implantat zu entfernen? Ich sollte nicht.

Nach endlos wirkendem Warten wurde ich aufgerufen. Eine kleine Zelle sollte ich hinter mir verschließen und mich für die Untersuchung vorbereiten. Die Anweisungen der Schwester rauschten mehr oder weniger an mir vorbei. Dann schloss sie zunächst die Tür, um mir Zeit zu geben. Ich agierte mechanisch und mein Herz schlug bis in die Schädeldecke. Gedankenlos legte ich meinen Schmuck ab und entfernte meine Haarspange und alle sonstigen Metallteile, die dem Ergebnis hinderlich hätten sein können. Die Tür öffnete sich wieder und ich wurde in den Untersuchungsraum gebeten. Grußlos ging ich an dem mit dem Rücken zu mir sitzenden Arzt vorbei, was eigentlich so gar nicht meine Art ist. Immerhin begab ich mich gleich, wenn auch nur elektronisch, in seine Hände.

„Bitte nehmen sie hier Platz und legen sie sich dann so hin“ hörte ich die Schwester gestikulierend sagen, die mich sogleich auf der Trage fixierte. Ab jetzt war jeder Gedanke an Flucht aussichtslos. Mein Kopf wurde festgebunden, Schläuche und sonstiges über meinen Körper gelegt. Routine. Für die Schwester; nicht für mich. Ich fühlte mich gefangen und vollkommen ausgeliefert; bekam Kopfhörer auf, die meine Ohren jedoch nur vor dem gleich beginnenden Lärm schützen sollten. Ich mag mir nicht ausmalen, wie laut es ohne sie gewesen wäre. Die Ankündigung, mir Kontrastmittel zu spritzen, versuchte ich sofort ängstlich wegzudiskutieren. Sie lächelte nur. Die Schwester lächelte eigentlich die ganze Zeit. Sie war sehr freundlich, was mir jedoch erst hinterher wirklich bewusst wurde. Ebenso wie die friedliche Freundlichkeit des Arztes, der zu mir kam, um mich zu begrüßen und sich zu erkundigen, was vorgefallen war. Er erinnerte mich optisch an meinen Steuerberater.

Die Schwester drückte mir einen Ball in die Hand, der an einem Kabel hing und dazu dienen sollte, dass ich mich bemerkbar machen konnte, wenn mich irgendwas während der Untersuchung beunruhigte. Mich beunruhigte dieses gesamte Procedere! Dennoch wurde ich die Röhre geschoben. Die Schwester verließ den Raum. „Sie hat es vergessen“ triumphierte ich gedanklich zu früh, an das angedrohte Kontrastmittel denkend. Aber Schwestern und Ärzte vergessen nichts. Die Untersuchung begann. Ein unglaubliches Pochen, Dröhnen, Schlagen und Brummen erreichte mein Gehör. Ich fühlte mich, als stünde ich in einer Techno-Diskothek direkt zwischen zwei voll aufgedrehten Boxen. Alles vibrierte um mich herum. Platzangst hatte ich nicht und doch kam es mir vor, als wenn sich die Röhre zuziehen würde. Der blaue Streifen längst der Röhre kam auf mich zu, wurde breiter und schmaler, verschwamm und war doch wieder ganz klar zu erkennen. Die Geräusche nahmen mich in ihren Besitz. Ich blinzelte mit den Augen, um klarer sehen zu können. Wozu eigentlich? Verpasste ich optisch etwas? Nein, sicher nicht.

Die Geräusche änderten sich. Zwischendurch gab es Ruhephasen. Wobei Ruhe ein durchaus dehnbarer Begriff ist. Es war nur ruhiger als sonst. Sonst nichts. Nach ca. 15 Minuten verstummte alles. Es wurde totenstill. Durch die Kopfhörer hörte ich, dass jemand den Raum betrat. Die Schwester. Sie kündigte an, mich nun herauszufahren und ich solle mich nicht erschrecken. Halb außerhalb der Röhre und halb in ihr liegend fühlte ich, wie sie meinen linken Arm freilegte. „Sie hat es doch nicht vergessen“ durchfuhr es mich und blitzartig verkrampften sich 173 Zentimeter Mensch zu einem Klumpen aus purer Angst. „Kann sein, dass es jetzt brennt“ hörte ich sie entfernt sagen. Ja, das tat es. Und wie! Sie drückte den Arm mit einem Band ab und legte ihn mir auf den Bauch.

Dann wurde ich erneut in die Röhre gefahren und das Szenario wiederholte sich. Dieses Mal mit einem Brennen in meinem Körper, dass sich mehr und mehr verteilte. Dieses Gefühl der Wehrlosigkeit machte mich jedoch noch viel verrückter. Mein Auge begann zu jucken. Aber durch das Gitter über meinem Kopf konnte ich es nicht erreichen. Dann fühlte ich, wie mein Magen anfing zu knurren. Wann hatte ich zuletzt etwas gegessen? Getrunken? Ich wusste es nicht mehr. Meine Nase wurde kälter und kälter. Auch sie konnte ich nicht wärmen. Die Geräusche wurden lauter. Unerträglicher. Es schien kein Ende zu nehmen und doch war es irgendwann vorbei. Ich durfte aufstehen. Das Druckband von meinem Arm wurde entfernt. Mechanisch verließ ich den Untersuchungsraum, um zurück in meine Zelle zu gehen. Ich zog mich an, brachte Schmuck und Haarband an ihre ursprünglichen Positionen und ging zurück in den Wartebereich.

Am Fenster stehend sah ich über die Stadt. Die Dämmerung kündigte sich vorsichtig an. Wo war die Sonne geblieben? Die Zeit stand und wartete darauf, irgendwie zu vergehen. Irgendwann hörte ich weit entfernt meinen Namen und ging erneut los. Ein riesiges Zimmer mit großen Lichtwänden. Drei Plakate auf denen das Innenleben meines Kopfes in Scheiben zu sehen war. Erklärungen des Arztes suchten das zusammengesetzte dessen, was dort an der Wand hing. Ich nickte immer wieder, lächelte freundlich und fühlte mich unbeschreiblich klein. Ein warmes Händeschütteln, ein „Danke!“ was ich mich entfernt sagen hörte und kurz darauf verließ ich das Institut mit einem großen Umschlag unter meinem Arm.

Den Gedanken daran, anschließend noch einzukaufen, begrub ich endgültig. Alles was ich nun noch wollte war, nach Hause zu kommen. Ein Taxi zu rufen hielt ich in Anbetracht der Möglichkeit, einen gesprächsbedürftigen Taxifahrer zu erwischen, nicht für sinnvoll. Also ging ich zur Bushaltestelle und wartete. Die Aufnahmen unter meinem Arm wogen Tonnen. Es war kalt. Mir war kalt. Bitter kalt! Ich zitterte schon wieder. Oder immer noch? Mein Magen machte sich erneut bemerkbar. Weder zum Essen noch zum Trinken hatte ich etwas bei mir. Nur Zigaretten. Ich frickelte eine aus meiner Tasche und steckte sie, entgegen meiner sonstigen Ablehnung, auf der Straße zu rauchen, an. Der Rauch schmeckte bitter. Flash? Nein, purer Brechreiz. Ich schmiss sie weg und wartete weiter auf den Bus. Die Aufnahmen unter meinem Arm wurden schwerer. Ich zitterte noch mehr. Wo verdammt nochmal war die Sonne geblieben?

Der Bus kam. Ich stieg ein und suchte mir einen Platz am Fenster. Das Licht im Fahrzeug ließ mich mein Spiegelbild durch das dunkler werdende Äußere erkennen. Ich erschrak. Konnte es sein, dass ich heute um 10 Jahre gealtert war? Mein Blick streifte durch den Bus. Irgendjemand hatte vor die Tür gekotzt. Es war mir egal. Ich roch es nicht. Nach einigen Haltestellen stieg ich aus und schlich nach Hause. Warum hatte ich meine Lederjacke nicht angezogen? In meiner Wohnung war es etwas wärmer. Ich streifte Tasche und Pulli ab, ließ die Schuhe mitten im Weg stehen, schmiss den Umschlag mit den neuen und allen bisherigen Aufnahmen einzelner meiner Körperteile auf die Couch und goss mir auf nüchternen Magen einen Cognac ein. Das Thermometer zeigte 20 °C.

© marmonemi [10/2005] / skriptum

[*] Gehirnzentrum / „International Neuroscience Institute“, Link: INI
Klinik + Forschungseinrichtung der Medizinischen Hochschule Hannover

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