im TiiWii einen Beitrag über Altenheime etc., die unter anderem demente Bewohner aufnehmen. Damit diese sich nicht verlaufen oder sogar weglaufen und um ihren Geist weitestmöglich zu fordern, stehen auf deren Grundstücken Haltestellen. Dort finden sich viele von ihnen ein und werden oftmals von anderen Bewohnern, die geistig noch aktiver sind, wieder eingesammelt und zurück gebracht.
Hier ums Eck gibt es eine Einrichtung für ältere Menschen, die sogar zwei Haltestellen auf dem Grundstück hat. Bisher fand ich das einfach eine witzige Idee. Mit diesem Hintergrundwissen finde ich es allerdings noch viel schöner:
Als ich übrigens vor ein paar Wochen an dieser Einrichtung vorbei kam, wurde dort eine Art Sommerfest gefeiert. Aber hallo: Von der Energie der Bewohner können sich manche Jüngeren ruhig mal eine Scheibe abschneiden. Da scheint mitunter echt was los zu sein! ;)
Schau mal, liebe Tina…
Diesen Blog hatte ich einst auf meiner anderen Seite geschrieben. Inzwischen steht auch in diesem Heim eine echte Haltestelle und man muss keine Sessel mehr umfunktionieren. Und soll ich dir mal was sagen? An manchen Tagen fehlen mir meine dementen Bewohner sehr. Hätte ich nie gedacht und doch ist es so.
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Unsere Ilse ist schon seit mehr als 24 Jahren im Heim. Ja, man könnte sagen, sie gehört schon zum Inventar. Und keiner, wirklich keiner käme auf den Gedanken, Frau F. und Sie zu ihr zu sagen. Sie will das auch gar nicht und legte früher immer ein lautstarkes Veto ein, wenn ein Praktikant Frau F. zu ihr sagte. Heute würde sie sich an ihren Familiennamen gar nicht mehr erinnern, denn sie lebt in einer Welt, die viele von uns immer noch nicht verstehen können oder wollen. Ilse ist 91 Jahre alt und mit einem ungeheuren Bewegungsdrang gesegnet. Sie läuft und läuft die Gänge unaufhörlich hin und her, steigt selbständig alle Stufen. Kurz – man muss sie einfach laufen lassen. Sie hat Hummel unterm Hintern und kann nie stille sitzen. Dazu besitzt sie die bewundernswerte Gabe, andere für ihre Vorhaben zu begeistern. Heute hatte sie sich dazu unseren einzigen, noch wirklich rüstigen Herrn für ihre Reise auserkoren, der die Tasche mit den Hühnern tragen sollte. Sie wollte mit dem Bus ihre Kinder besuchen, die leider sehr weit von ihr entfernt wohnen. Die hätten keine Eier mehr. Ja klar, da muss Muttern eingreifen und für Nachschub sorgen, am besten gleich in Form von gackernden Hennen. So etwas müssen wir verstehen und sie dann auch gehen lassen. Kurz, nachdem sie ihr Mittagessen aufgegessen hatte, wurde sie unruhig und tätschelte dem Herrn C. die Hand, schaute ihn treuherzig an und sagte: “Fritz, nachher fahren wir zu den Kindern.” Daraufhin er: “Ich hatte noch nie Kinder. Und mit Ihnen schon gar nicht. Hören Sie auf, mir solchen Mist einzureden.” Doch Ilse ließ nicht locker und bohrte immer wieder nach. Ihr hilfloses Stammeln tat mir leid und als ich sah, dass unserem Blauäuglein die Tränen in die Augen schossen, zwinkerte ich meiner Kollegin zu und sagte zu ihr: “Komm, ich bring dich dann mal zur Haltestelle.” Ich fuhr mit ihr eine Etage tiefer, in unseren Eingangsbereich. Ruck Zuck funktionierte ich eine kleine Zweisitzer Couch in die Bank eines Wartehäuschen um, der Hutständer musste als Bushalteschild herhalten. An ihn hängte ich eine Zeitung und hatte damit den Fahrplan. Ilse war glücklich. “So, nun muss ich dich aber alleine lassen, denn die anderen warten auf mich. Mach`s gut und grüß mir deine Kinder.” Ich winkte ihr noch zu und die nette Dame, welche das Kaffeestübchen betreibt, nickte mir verstehend zu. Sie wird ein Auge auf meine Ilse werfen und zur Not anrufen, sollte sie doch den Drang nach frischer Luft verspüren. Ich ließ Ilse im Foyer sitzen und auf den Bus warten. Niemals wird hier ein Bus halten, aber Ilse wird auch nie danach fragen. Während sie nämlich dem emsigen Treiben der Cafe Frau zuzieht, hat sie schon vergessen, was sie eigentlich wollte. Sie lehnt sich entspannt in die Couch, wackelt kurz mit den Beinen und ist mit sich rundum zufrieden. So zufrieden, dass sie doch tatsächlich ein kleines Nickerchen abhält, bevor sie wieder ihre Runden durch die Gänge aufnimmt. Es fährt kein Bus nach Nirgendwo…
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Und dir möchte ich danken, dass du auch einmal die guten Seiten eines Heimes zeigst. Nicht immer ist alles so schlecht, wie es in den meisten Medien gebracht wird.
Wenn du und ich mal so weit sein sollten, brauchen wir uns keine Sorgen machen. Ich kann sogar einen echten Busfahrer beisteuern, sofern dann noch alle Gedanken zusammen hat ;-)
Eine wunderschöne Erzählung, liebe Mandy. Vielen Dank, dass Du sie hier nochmal veröffentlicht hast!
So ist es, wenn ältere Menschen nicht von Robotern, sondern von Menschen mit Herz betreut werden. Menschen, wie Dir!
Gerne geschehen. Ich überlege schon, wie ich meine Altenpflege Post auf die jetzige Seite bekomme, mit allem Drum und Dran. Hast du einen Plan?
Mit allen Kommentare, etc.? Ich befürchte, das geht nicht.
Wenn ich bei skryptoria einen Post vorbereite und ihn dann doch lieber bei skriptum veröffentlichen möchte, kopiere ich den gesamten HTML-Text einfach als Artikel in den anderen Blog (copy/paste). Aber das betrifft eben nur das Thema, nicht die Kommentare etc.
Veröffentliche sie doch einfach nochmal?!
Ich habe es mir überlegt und werde meine Pflege Post noch einmal bringen. Hätte ich eigentlich auch von alleine drauf kommen können, nöch?
Das finde ich gut, zumal sie an Aktualität sicher nie verlieren!
Eine wunderbare Idee. Hoffentlich übernehmen das viele Heime. Das Wichtigste ist doch, dass die Demenzkranken in ihrer eigenen Welt glücklich und zufrieden sind.
So sehe ich das auch, liebe Ute. Da beginnt eine Welt, die für sehr viele Menschen überhaupt nicht nachvollziehbar ist. Beispielsweise soll ein dunkelblauer Teppich für Demente wie ein Abgrund wirken, über den sie unmöglich gehen können. Hingegen sind ihnen Farben wie knalliges Rot angenehm.
Wenn eine fingierte Haltestelle Gemüter beruhigen kann, sollte man sie auch aufstellen. Vor allem, wenn sie das Weglaufen verhindern können.
Godot für Demente – das Leben IST eine Realsatire ;-)
Herzliche Grüße!
Hallo Dark Johann, willkommen!
Wenn nicht das Leben, was dann? ;o)
Ich finde die Idee klasse.
Wie oft sind schon wir ‚Gesunden‘ orientierungslos! Wenn es für die Betroffenen eine wirkliche Stütze ist, sollten viele Einrichtungen diesem Beispiel folgen.
Wenn man das in Relation bringt, liebe Anna-Lena, dann müsste vermutlich die gesamte Zaunbreite aus Haltestellen-Schildern bestehen! ;)
super idee….habe ich noch nicht gesehen.
Mir hat das auch imponiert, als ich erst wusste, welche Funktion diese Haltestellen haben!