Eine einfache Träne, die Welten bewegte. Bände sprach, ohne auch nur ein einziges Wort zu verraten.
Sie stieg in den Zug. Sehr ruhig fragte sie mich, ob der Platz mir gegenüber noch frei sei. Ich nickte ihr zu und sie setzte sich zu mir in den Speisewagen. Sie nahm eine Zeitung aus ihrer Tasche und schlug sie auf. Ihre Augen flogen über die Zeilen und doch wusste ich, dass sie nicht liest. Hätte ich sie gefragt was dort geschrieben stand, wäre es wohl nur ein zweifelnder Blick gewesen, den ich als Antwort bekommen hätte.
Was hatte sie an diesem Tag erlebt? Ihr Blick war offen, ihre Hände ruhig und gepflegt. Als sie dem Kellner ihre Getränkebestellung aufgab, tat sie das mit klarer Stimme und einem kleinen Lächeln. Und doch wirkte sie gedankenverloren … traurig.
Hatte sie einen Freund besucht; einen kranken Freund? Und dessen Zustand beunruhigte sie. Beunruhigte, weil sie nun nach Hause fuhr … weg von ihm … ihn alleine lassend.
Musste sie in eine andere Stadt, um während der Woche zu arbeiten, und sich dafür von ihrer Familie trennen? Vermisste sie ihre Kinder? Ihren Mann?
Sie ließ die Zeitung auf ihren Schoß sinken. Ihre Kaffeetasse hielt sie in beiden Händen und sah gedankenverloren aus dem Fenster. Draußen war es längst dunkel geworden. Die vorbeifliegenden Lichter konnten es nicht sein, die ihre Aufmerksamkeit forderten. Sie dachte nach. Worüber?
Ihre Gedanken waren von Schmerz begleitet. Sehnsucht. Verlangen. Der Ausdruck ihrer Gesichtszüge veränderte sich. Sie dachte an etwas das sie sehr liebte. Etwas das sie gerade noch hatte und nun – Minuten später – bereits sehr vermisste. Mal bildeten sich Sorgenfalten auf ihrer Stirn mal überflog ein Lächeln ihren Blick. Ihre Sehnsucht flog in die Nacht …
Gern hätte ich sie angesprochen und doch wusste ich, dass nichts und niemand in diesem Augenblick in der Lage gewesen wäre, ihr zu helfen. Sie war in einer Situation, mit der sie ganz alleine klar kommen musste. Die sie alleine durchstehen musste. Allein, obgleich es in ihren Gedanken ganz sicher nicht um Einsamkeit ging.
Und ohne auch nur die geringste Regung auszulösen, verließ plötzlich eine Träne ihren Blick. Sie lief an ihrer Wange hinunter bis zum Kinn. Fiel sanft auf ihren Schoß. Nur eine Träne. Eine Träne die genauso schnell trocknete, wie sie entstanden war.
Eine einfache Träne, die Welten bewegte. Bände sprach, ohne auch nur ein einziges Wort zu verraten.
© skriptum
Wunderschön!
Freut mich, danke!
Ja
☼
Hab ich gern gelesen!!!
LG, Petra
Das ist schön! ☺
Ganz selten habe ich solche Gedanken beim Betrachten meiner Mitfahrenden auch schon gedacht oder gehabt – selten deswegen, weil sich ja die meisten an ihre elektronischen Unterhaltungsspeicher hängen.
Würde ich irgendwen besuchen und nach Hause fahren, könnten sich andere vielleicht ähnliche Gedanken machen – aber die würde ich nie erfahren.
Gerade auf längeren Fahrten wird es vermutlich vielen Menschen so gehen. … auf beiden Seiten.
Sehr schöner Text! Bahnfahren kann tatsächlich eigenartige Auswirkungen haben — man ist irgendwie in einer Art Zwischenwelt, nirgendwo eigentlich. Der perfekte Ort zum Nach- und Überdenken. Gleichzeitig auch gefährlich, wenn man in der falschen Stimmung ist, denn im Zug kann man seinen Gedanken nicht entkommen…
Oh ja, da ist was dran. Andererseits bewegt sich der Zug immer weiter und irgendwann ist man zwangsläufig wieder „gefordert“. Spätestens beim Aussteigen.
Schön, sehr berührend.
Das freut mich, danke!
Toll geschrieben. Du hättest Schriftstellerin werden sollen. L.G. Ludger
Ja! Ein „Koch“buch für Klementina soll her!
Oh, für das Thema bin ich vermutlich nicht die optimale Wahl! ☺
Super Idee, lieber Ludger. Das dachte ich mir vor ca. acht Jahren auch und habe es prompt umgesetzt! ;o))
Eigentlich möchte man der Frau nur mal kurz die Hand auf den Arm legen und ihr zeigen, dass man sie ein Stück begleitet auf der Fahrt.
Ob sie es registriert hätte?
eine schöne anrührende Geschichte, solltest es veröffentlichen, hier hat du es ja schon, mache es gut, Klaus
Tolle Idee, lieber Klaus. Deshalb kannst Du die Geschichte auch in meinem ersten Buch „Außergewöhnlich Alltägliches“ ab Seite 47 finden! ;o)
Ein Text der zum Nachdenken anregt, und so traurig.
Ja, aber irgendwie auch hoffnungsvoll. Zeigt die Situation doch, dass die Menschheit noch nicht komplett abgestumpft ist.
Gudrun hat meine Empfindung gut ausgedrückt. Ich übernehme gerne ihre Worte.
Damit ist sie bestimmt einverstanden.
Kann ich auch hier den Tätschel einbauen.
http://www.bilder-hochladen.net/files/a324-ad-0041-gif.html
Oooh, das tut sooo gut, danke! ;o)
Das Wort „Wochenende“ ist ganze 10 Buchstaben lang… ein Glück sind’s weniger Tage bis zum nächsten ;-)
Und schon sind wir in einem der überübernächsten! ;o)
einfühlsam erzählt
hat mich berührt…
hast du nicht bereut
sie nicht angesprochen zu haben?
Wer sagt, dass ich die „Zuschauerin“ war? ;o)
Einfach nur schön…ohne Worte….
Freut mich, dankeschön!
Diese Geschichte hat mir schon in deinem Buch außerordentlich gut gefallen.
LG Anna-Lena
Das ist schön, liebe Anna-Lena, danke! ☺
Oh man, gestern abend spät habe ich es gelesen, da war ich nicht mehr fähig, noch einen Kommentar zu schreiben.
Diese Geschichte ist so anrührend und wunderbar.
Ich glaub, ich hätte sie angesprochen.
Ganz liebe Grüße an dich ♥
Bärbel
Man muss auch nicht immer gleich etwas schreiben können.
Grins, ist echt manchmal so, da will man nochmal kurz schauen, und dann fallen einem fast die Augen zu…
Das kenne ich nur zu gut, liebe Minibares. Bestenfalls kommt einem der betreffende Artikel am nächsten Tag nochmal vor die Augen. Und falls nicht, hat man etwas Schönes mit in seine Träume genommen! ;o)
Richtig, denn vergessen ist es ja nicht.
So kann es echt noch lange beschäftigen…
Vielleicht ist das manchmal für einen selbst sogar ergiebiger, als den eigenen Worten gleich Raum zu geben.
Oh ja, bei manchen Texten ist das sogar wünschenswert.
Manches bewahre ich einfach gern für mich. Dann kann ich es in mir hin und her schaukeln und mich daran erfreuen! ;)
Schööööööööööön ausgedrückt ♥
Dankööö! ♥
Bitteeeeeeeeeeeeeeeehhhhh
♥♥♥
Las diese Geschiche wie gebannt und sie berührte mich sehr.
Finde keine weiteren Worte dazu und soll wohl auch so sein…….
Ganz liebe Grüße ♥
einen schönen, entspannenden Abend und morgen einen guten Start in die Woche wünsche ich dir
Dankeschön. Für alle Worte!
Oh wie wundervoll und bewegend das geschrieben ist!
Gänsehaut-Feeling, ein Schauer, der den Rücken runter läuft, Emotionen der Rührung… dazu noch mein „in die Puschen preschen und helfen wollen, wenn jemand traurig ist“-Gefühl und die „es ist doch unmöglich“-Erkenntnis…
Gedankenfetzen die vorüber ziehen… turbulentes Meer der Gefühle…
Was bleibt ist ein Gefühl der Rührung…
Stille… in sich gekehrt sein…
Völle und Leere, heißkalt, zartbitter, melancholisch…
traurig, aber wundervoll…
Dankeschön!
Wow! Was für eine schöne Umschreibung. Vielen Dank!
Oh, das ist wunderschön geschrieben.
Sehr berührend.
Liebe Grüße,
Martina
Dankeschön, so sollte es sein!
Deine GESCHICHTE mit der TRÄNE…ist sagenhaft……hab dazu mal eine GESCHICHTE über den RegenTROPFEN geschrieben findest du ALLes bei mir auf WP….wünsche dir ein schönes OsterFEST…LG ANDREA:))
Ich wünsche Dir auch ein schönes Osterfest gehabt zu haben, liebe Andrea, dankeschön!