Ein kühler Wind auf meiner Haut.
Hier stehe ich nun. Vor ihr. Der Wind weht mir Haarsträhnen in die Augen. Weine ich deshalb? Ich weiß es nicht. Es ist so ruhig um mich herum. Sie ist so ruhig. Anders, als die letzten Male, wenn sie zu mir kam. Anders als ich es erwartet hatte nach unseren letzten …
Wie soll ich es nennen?
… Treffen?
Tränen fließen mir die Wangen runter. Es ist der Wind. Ganz sicher.
Wie soll ich mich verhalten? Was soll ich sagen? Erwartet sie, dass ich mit ihr spreche? So, wie sie die letzten Male mit mir gesprochen hat? Und so, wie ich ihr wortlos zugehört habe … schwebend zwischen Bewusstsein und Traum. Würde ich nun mit ihr sprechen, bliebe ihr in dieser Situation nichts anderes, als mir gleiches Schweigen entgegen zu bringen.
Wie ich es tat.
Die letzten Male.
Vielleicht würde sie irgendwann später antworten.
Dieser Wind. Er ist heftiger als sonst. Heftiger als in den letzten Monaten, wenn wir uns sahen. Sonst war es eher ein Hauch. Eine fast schon angenehme Kühle auf meinem Gesicht. Nachts. Wenn sie zu mir kam. Sie streichelte mein Gesicht. Meinen Körper, wenn ich mich wieder frei gestrampelt hatte. Im Schlaf. Sie streichelte mich mit dieser Kühle … sprach mit mir; stellte Fragen. Ich hatte keine Antworten. Vielleicht kam sie deshalb immer wieder. Braucht sie Antwort?
Von mir?
Ich habe keine.
Heute Nacht würde ich keine Kerzen anzünden. Sonst tat ich es manchmal. Doch meist löschte sie sie aus, noch bevor ich erwachte. Sollte ich sie nicht sehen, wenn sie bei mir war? Ich hörte ihre Worte und ich sah sie auch. Ich fühlte sie … die Kälte die von ihr ausging. Nur dass sie mich seit einem Jahr nicht mehr frösteln ließ.
Sie hat kein Heim mehr und dieser Ort, an dem ich nun stehe, ist es offensichtlich auch nicht. Suchte sie bei mir ihr Heim? Warum sonst sucht sie mich so oft auf? Was verspricht sie sich davon? Glaubt sie, bei mir etwas Bestimmtes zu finden? Weiß sie nicht längst, dass ich es ihr nicht geben kann. Sie muss doch jetzt alles wissen. Jetzt, wo sie hier ist.
So still.
So …
… kalt.
Ich will gehen. Ein unangenehmes Gefühl durchfährt mich. Ohne Fluchtgedanken. Nur so. Ich will weg. Und doch glaube ich zu fühlen, dass sie mich mit einer Schuldigkeit zu fesseln versucht, die mich zwingt zu bleiben. Eine Schuld, die ich nicht zu tilgen im Stande sein werde.
Niemals.
Eine Schuld, die es überhaupt nicht gibt.
Nicht so.
Sie will nicht mehr allein sein. Doch das ist sie bereits seit Jahren. Und ich kann nichts für sie tun, außer sie hin und wieder zu besuchen.
Vielleicht.
Hier.
Wenn sie nicht zu mir kommt.
Wie ein kühler Wind auf meiner Haut.
© marmonemi [2003] / skriptum
Darüber sprachen wir beide ja wohl im Restaurant vom Zoo. Es berührt mich immer sehr stark, wenn jemand so etwas erlebt, da es etwas ganz Besonderes ist.
Dein Buch übrigens auch!
Lieben Gruß, ich muss endlich einkaufen gehen, notfalls auch Kirschen für Clara und ihren Appetit
Ja, darum ging es in unserem Gespräch. Und ja, es ist etwas sehr Besonderes. Man muss nur erst den Punkt erreichen, an dem es keine Angst mehr macht. Aber das ging bei mir recht schnell.
Ich freue mich sehr, dass Dir mein Buch gefällt! *thx
Guten Appetit! Ich vergnüge mich gleich noch mit Aprikosen. Gestern Nacht habe ich es mir dann doch verkniffen! ;)
liebe skryptoria,
diese geschichte beeindruckt mich sehr!
warum muss ich immer an eine besuchskatze denken? sie ist sicher keine besuchskatze, denke ich, denn dann wäre die geschichte ganz anders und wohl
ganz einfach.
die besuchskatze würde einfach ab und an vorbeikommen und es wäre keine frage, was sie sucht. die besuchskatze würde uns sicher auch berühren, aber wohl nicht so intensiv, wie die „katze“ in deiner geschichte.
ich bin sehr berührt liebe skryptoria von der „katze“ und deiner sensiblen darstellung der ambivalenten
gefühlslage!
lg indy
Eine Katze, lieber Indy? Eine sehr interessante Interpretation. Nur der Vollständigkeit halber und um Missverständnissen vorzubeugen sein gesagt: Es gibt in diesem Text keine Katze; überhaupt kein Tier.
Danke für Deine warmen Worte. Ich bin mir aber ehrlich gesagt nicht sicher, ob ich sie wirklich richtig verstanden habe. Die Katze irritiert mich.
mich irritierte diese katze ja auch, die es gar nicht gibt! ich vergesse sie einfach! es war eine etwas eigenwillige verknüpfung meinerseits!
lg indy
Das macht doch nichts! Mich freut es immer, wenn meine Texte inspirieren. Das jeweilige Ergebnis muss ja nicht immer 100 %ig mit dem übereinstimmen, was ich gemeint habe.
Hier wollte ich nur vermeiden, dass es zu verfälschenden Missverständnissen kommt. Gefreut habe ich mich über Deinen Kommentar trotzdem, lieber Indy!
Sehr spannendes Thema. Ich habe sowas nie erlebt und kenne auch niemanden, dem das passiert ist. Ich denke, es würde mir auch Angst machen. Anfangs zumindest.
Doch ich würde nie sagen, dass sowas Quatsch ist und unmöglich. Es gibt viele Dinge zwischen Himmel und Erde und nicht alle müssen wir sofort verstehen.
Genauso sehe ich das auch, liebe chinomso. Ich kenne einige Menschen, die ähnliches erleben. Nur dass viele sich nicht trauen, darüber zu sprechen. Oftmals wird das einfach mit „der/die SpinnerIn“ abgetan.
Ich halte es eher für eine besondere Form der Sensibilität. Und über diese scheinen viel mehr Menschen zu verfügen, als es (u.a.) der Wissenschaft (bisher zumindest) recht sein könnte! ;)
Auch ich sehe es so, dass man nicht alles verstehen muss, um die Existenz zumindest nicht auszuschließen, wenn schon nicht zu glauben.
oh, jetzt verstehe ich besser :)
ich kenne auch menschen, die mir erzählen, dass
sie ähnliches erleben und ich höre ihnen immer interessiert zu und kann mir gut vorstellen, dass es diese besondere sensibiltät einfach gibt.
unabhängig davon bleibt für mich die geschichte
nach wie vor einfach wunderbar geheimnisvoll,
eben mit einer besonderen sensibilität, geschrieben.
nochmal liebe grüße!
Danke, lieber Indy! Hatte ich also richtig befürchtet, dass da irgendwas nicht ganz ohne Kurve angekommen war? ;)
Diese Grauzone zwischen Himmel und Erde hast du wunderbar in Worte gekleidet. Gefällt mir sehr und macht mich neugireig. So etwas habe ich auch noch nie erlebt.
Liebe Anna-Lena, ich glaube durchaus, dass viele Menschen sowas wahrnehmen könnten, es nur lieber nicht wahr haben wollen. Das ist auch ein Stück weit zu verstehen, weil es eben rational nicht erklärbar ist. Dennoch gibt es sowas und selten ist das keinesfalls. Ich habe mal eine kleine Serie über solche bzw. ähnliche Vorkommnisse geschrieben. Vielleicht stelle ich sie hier doch einmal ein.
Das was ich in dem obigen Text beschreibe wollte ich auch erst nicht wahr haben. Tat es als (sehr heftige) Träume ab und versuchte es zu vergessen. Dass klappte jedoch nicht. Allein schon aufgrund der zahlreichen Wiederholungen. Letztendlich bekam ich ein unmissverständliches Zeichen und spätestens dann wusste ich, dass das tatsächlich passiert. Danach war allerdings (erstmal?) Ruhe. Vielleicht sollte es ein Abschiedszeichen sein …
Danke für Deine Worte und für Deine Neugierde!
[…] nicht aber sicher bin ich mir auch nicht. Habe ich etwas versäumt, was ich hätte tun können? „Keine Antwort“ […]