oder: Kompetenz mit In- davor
Kürzlich vermeldete mir mein Zeitschriften & Co.-Mokel stolz, wie es zwischen ihm und seiner Freundin abgegangen ist, nachdem er einen Meeresfrüchte-Cocktail genossen hatte. Ich lächelte milde, während ich den Laden fluchtartig verließ. Davon abgesehen, dass mich das nun echt rein gar nix angeht, dachte ich nur „zu viel Input!“. Wir kennen uns zwar schon einige Jahre aber so vertraulich wollte ich es dann doch nicht werden lassen. Was käme als nächstes? Tipps für den nächsten Sex? Ne, danke!
Ich hatte an dem Tag noch einige weitere Stationen vor mir und irgendwann fragte ich mich, ob ich „heute“ einfach zu sensibel für diese Welt bin. Nirgendwo konnte ich mich aufhalten, ohne dass nicht mindestens ein menschliches Wesen mutmaßlich Selbstgespräche führte oder immerhin sichtbar, statt des Knopfs im Ohr, ein Handy festklammerte. Da werden ganze Arztberichte beim Discounter am Regal stehend durchgegeben oder Passwörter genannt, Kontoverbindungen übermittelt oder sonstige, rein private, intime Details lautstark ausgetauscht.
Sind das eigentlich die gleichen Wesen, die sich zu anderer Gelegenheit darüber aufregen, dass der Datenschutz immer mehr vernachlässigt wird? Sind es diejenigen, die sich über Vorratsdatenspeicherung aufregen, weil sie nicht wollen, dass jemand weiß, mit wem sie wann über was telefoniert oder in anderer Weise gesprochen haben? Sind es die Gleichen, die nicht wollen, dass Innenstädte per Video überwacht werden, weil sie sich dadurch in ihrer Privatsphäre bloßgestellt fühlen? Hm?
Wie wichtig kann sich ein Mensch fühlen, dass er davon ausgeht, permanent erreichbar sein zu müssen und ständig bei jedem noch so seltenen Gedankenblitz sofort jemandem darüber Mitteilung machen zu müssen? Wenn es sich um irgendwelche dümmlichen Girlies handelt … nun denn. Sie wissen es vielleicht nicht besser. Aber bei Menschen, die scheinbar zwanghaft auf seriös machen, sollte man doch wohl annehmen können, dass sie in der Lage sind, Termine so zu koordinieren, dass nicht das gesamte Umfeld unfreiwillig und ständig Teil dessen wird.
Wer tatsächlich wichtig ist, versteht es m. E., seine Aufgaben so zu planen und mitunter zu delegieren, dass er auch mal _in Ruhe_ etwas unternehmen kann, ohne permanent erreichbar sein zu müssen. Ausnahmen gibt es sicher: Notärzte, Rettungskräfte, andere Bereitschaftsdienstler etc. Aber jeder x-beliebige Futzi (m/w)? So viele wichtige Menschen gibt es auf dieser Welt, bei denen es unmöglich ist, mal ein, zwei Stunden auf sie zu verzichten? Das mag ich nicht glauben. Ich halte das eher für geballte Inkompetenz. Aber … was? Genau: Mich fragt wieder keiner. Immer darf ich nix!
Die Krönung dieses Wahns dürfte sich jetzt in New York ereignet haben, als die New York Symphoniker Gustav Mahlers neunte Sinfonie unterbrechen mussten, weil ein iPhone einfach nicht aufhörte zu klingeln:
Smartphone stoppt New Yorks Symphoniker
(13.01.2012, 16:31 Uhr)Marimbaklänge statt Mahler: Ein New Yorker Konzertbesucher hat sich dank seines iPhones vor Hunderten Musikfreunden unsterblich blamiert. Sein iPhone hörte nicht auf zu klingeln, der Dirigent unterbrach die Aufführung. Das Publikum „verlangte nach Blut“, wie die „New York Times“ berichtet.
Ob es schlimmer ist, sich für ZU wichtig zu halten oder zu blöd zum Abstellen seines mobilen Fernsprechgerätes zu sein, mag ich nicht entscheiden. Entschieden habe ich mich hingegen längst dafür, dass ich gehe, wenn es jemandem wichtiger ist, einen überraschenden Anruf anzunehmen, statt mit mir ungestört ein Gespräch zu führen. Man muss Prioritäten setzen, schon klar. Und meine liegen üblicherweise auf Höflichkeit, nicht auf neurotischer Erreichbarkeit.
Für mich ist dieses hektischen „Entschuldigung!“, sobald das Handy los geht und die damit inzwischen meist einher gehende Unterbrechung des momentanen Gesprächs pure Unhöflichkeit. Es ist gleichbedeutend mit der Taktlosigkeit, einfach in ein Gespräch zu platzen und dazwischen zu quasselt. Nur dass es in diesem Fall nicht der Dazwischenplatzer ist, der sich daneben benimmt, sondern der Gesprächspartner, weil er dazwischen platzen lässt.
All das wird tatsächlich nur noch dadurch getoppt, dass man in ein Konzert geht und sein iPhone oder ein anderes Empfangsgerät so lange klingeln lässt, bis das Orchester aufhört zu spielen. Ich mag nicht einmal darüber nachdenken, wie sich diese Abartigkeit noch fortsetzen mag. Vielleicht sollte ich dazu mal meinen Zeitschriften & Co.-Mokel befragen. Oder seine Freundin, sobald sie wieder Luft kriegt …
Isch ‚abbe ga‘ kein ‚Ändi.
Das ist vermutlich die pflegeleichteste Variante! ;)
Für viele Menschen scheint die Erreichbarkeit lebensnotwendig geworden zu sein. Mich ärgert das ebenfalls maßlos. Ich möchte mir auch nicht überall Details aus dem Leben anderer Leute aufdrücken lassen.
Gerade gestern habe ich es wieder im Wartezimmer beim Arzt erleben müssen. Die Hinweise in Praxen, dass Handys ausgeschaltet werden müssen, werden schlichtweg ignoriert.
Verbotenes Telefonieren beim Autofahren und selbst auf dem Fahrrad werden ignoriert. Wenn ich täglich die Strafe einkassieren könnte, zu der die Polizei nichjt in der Lage ist, könnte ich aufhören zu arbeiten.
Gibt es das als Job? Vielleicht sollte ich mich mich dafür bewerben *ggg*
Viel Glück bei Deiner Bewerbung! Die praktische Erfahrung konntest Du sicher schon täglich bei Deinen „Pappenheimern“ sammeln. Insofern kann wohl Kompetenz vorausgesetzt werden! ;)
Ja, schön geschrieben! Ich habe mein Handy zwar auch immer dabei und an, so könnte es schon sein, dass es ggf. klingelt, sollten wir zwei uns mal treffen und ein Gespräch führen… aber in Konzerten, Einladungen zum Essen etc. ist es aus bzw. lautlos. Zu den etc. gehören natürlich auch Kirchgänge… und nicht so wie beim Weihnachtsgottestdienst geschehen, dass während der Predigt auch ein – NICHT mein, da es zu Hause lag!!! – Handy ziemlich lange klingelte und ebenfalls für eine Unterbrechung und ironischen Kommentar und netterweise nur Lacher bei den Gottesdienstgästen sorgte…
Manchmal kann man sich wirklich nur wundern. Ich habe mein Handy auch meist bei mir, wenn ich unterwegs bin. Es ist jedoch generell auf Vibra-Alarm gestellt, so dass ich niemanden damit störe. Und bis heute konnte ich es mir auch prima verkneifen, bei Aldi anne Kasse unbedingt telefonieren zu müssen! ;)
Sehr gut geschrieben. Ich habe mein Handy selten dabei. Ich muss mal schauen, wie ich das überhaupt abstellen kann :-) Aber ich bekomme auch höchstens zweimal im Jahr einen Anruf auf dieses Teil.
Ich vergesse meines auch häufig in der Handtasche, so dass ich es erst wieder entdecke, wenn ich über Festnetz gefragt werde, warum ich denn über Handy nicht erreichbar bin. Probier das mal, es macht echt Spaß! *g
Wie sehr ich unter der permanenten Erreichbarkeit einer Dame leiden musste, habe ich ja schon anklingen lassen. Es ging in einer Tour. SMS oder Anruf auf Handy oder Telefon. Ich hätte der so manches Mal ein Kissen aufs Gesicht drücken können. Und auch sie war eine, die mir alles über ihre Männer, deren Vorliebe und noch vieles andere erzählt hat. Nur leider konnte ich nicht immer weglaufen, sondern musste dem Gesäusel am Telefon zuhören. Für mich war das wirklich schon Folter und ich habe mich oftmals auch einfach so geschämt und stark belästigt gefühlt.
In den letzten vier Tagen meines KH Aufhenthaltes hatte ich auch kein Handy und es hat mich nicht die Bohne gestört.
Liebe Tina, denkst du bitte mal dran, mir noch einmal deine Nummer zukommen zu lassen? Ich hatte es in einem meiner letzten Postings erwähnt, dass alle mir lieben Nummern futsch sind.
Und nun genieß das Wochenende!
Ich habe mein Handy nur für den Fall, dass ich mal dringend telefonieren muss, wenn ich unterwegs bin. Ich habe und hatte es nie, damit ich permanent jedem zur Verfügung stehe, der meint, JETZT müsse er unbedingt mit mir sprechen. Wenn es wirklich wichtig ist, kann man mir eine SMS schicken oder über Festnetz anrufen oder eine Nachricht auf der Quasselkiste hinterlassen. Wer das nicht tut, kann es nicht allzu eilig gehabt haben. ;) Davon abgesehen denke ich auch, dass es keinen Fremden etwas angeht, was ich privat bespreche. Wie gesagt: Zu viel Input!
Gut beobachtet und geschrieben!
Ich habe mein Handy immer dabei, doch stelle ich grundsätzlich den Ton aus. Entweder meldet sich der Anrufer noch einmal oder ich rufe halt zurück. Inzwischen haben es alle begriffen, dass ich meine Auszeit brauche und nicht rund um die Uhr zur Verfügung stehe. ;-)
LG Bärbel
Genauso mache ich es auch. Davon abgesehen habe ich auch keine Lust, rund um die Uhr verfügbar zu sein. Ne, muss nicht!
Toll geschrieben und recht hast du. Mich nerven die Dinger auch. Ich war kürzlich in Berlin und bin viel U-und S-Bahn gefahren. Fast jeder Zweite telefonierte in der Bahn . Alle bekamen die Gespräche mit. Oft wurde nur dummes Zeug gelabert. So wichtig kann keiner sein, das man ständig erreichbar sein muß. Ausgenommen die Leute, die du schon genannt hast. Ich wünsche dir ein schönes Wochenende. L.G. Ludger
Dir auch ein schönes Wochenende, lieber Ludger, danke! Und vor allem ein ruhiges, ohne unerwünschte Informationen, hm? ;)
Ist mir aus der Seele geschrieben. Da werden im Restaurant nicht nur SMS gelesen, sondern müssen natürlich auch beantwortet werden. Wenn das Handy im Auto klingelt, wird während der Fahrt (!!) hektisch in der Handtasche gewühlt, obwohl man in spätestens 2 Minuten eh am Zielort ankommt.
Und so weiter. Ohne Worte. Ist vielleicht auch ein bisschen eine Generationsfrage. Wenn man quasi damit aufwächst, ständig erreichbar zu sein, sind so was wohl die Folgen. (Soll keine Verallgemeinerung sein, aber es ist ja nicht gerade selten zu beobachten, und meistens sind’s halt nicht die älteren Semester.)
Meist sind es die jüngeren Semester, ja. Besser macht es das aber auch noch nicht! ;) Was interessiert es mich, wer in der Klasse mit wem und damit gegen wen und welche Racheaktionen nun geplant werden, die von vorn herein zum Scheitern verurteilt sind und deshalb muss auch gleich noch ein Notplan her der …
Ende, weil die Haltestelle der U-Bahn erreicht wurde und dort derjenige sowieso steht, mit dem telefoniert wurde.
Hallo?! Manchmal ist mir danach, einfach mit der Stirn irgendwo gegen zu ditschen um zu sehen, ob ich ansonsten noch funktioniere … Irgendwie habe ich das Gefühl, ich bin zu alt für solch einen Scheiß! ;l)
Did someone say sex?
Yes! ;)
Mich hat mal ein Kollege gefragt, ob sich die Jungs von der Baustelle schon gemeldet haben oder ich nicht anrufen wolle ?
Ich habe ihm daraufhin erklärt, daß wenn wir telefonieren würden, es ein Problem gäbe. Das hat ihn überzeugt.
Heute besitze ich zwar ein privates Mobil – kein Händi !/ denn nur die – ich zitiere einen US Amerikaner, mit dem zusammengearbeite habe – „bekloppten“ Deutschen sagen Händi dazu, alle anderen sagen Mobil, auch schon verwunderlich nicht ? – aber in diesem Teil steckt eine Firmenkarte. Die zwei drei Telefonate im Jahr die ich privat führe, zahle ich gerne an meine Firma.
Gruß an den Amerikaner der Zusammenarbeit!
Nur die „bekloppten“ Deutschen sagen in ihrer Unterwürfigkeit auch USA zu USA. Nicht États-Units oder VS oder so… freut der sich nun ob der ausgleichenden Verwunderlichkeit? Und auch nur die, ja eben die….dt. Depperles.. nennen eine Direktübertragung „Live“…nie en diretto, en vivo, direkt oder so…..RUF! IHN! AN! vom Callcenter in Würselen… :D
Und wenn ich nicht anrufen will? *ratlos
Nicht „Mobil“, sondern „Mobile“. Aber ich verstehe was Du meinst und recht hast Du! ;)
Ich brauche mein Mobile auch kaum. Höchstens wenn ich jemanden anrufen möchte. Aber nicht, um ständig für die ganze Welt erreichbar zu sein.
…ach ja, der Film zum Beitrag: Der Gotte des Gemetzels.
Walter !?
Hö?
…wenn Du den Film nicht gesehen hast verstehts Du dieses „Walter“ nicht.
Sieh in Dir an ! Jetzt sofort ! Er wird was für Dich sein, wette ?
Ich „gucke“ mal! ;) Danke für den Tipp!
Ich bin eben das erste mal auf die Seite gekommen. Gefaellt mir bis jetzt gut.
Das freut mich, danke!
Das mit dem Konzert hatte ich in der Zeitung gelesen. Klasse reagiert von dem Dirigenten.
Uns ist es mal passiert. Beerdigung des Mannes meiner Cousine, er war recht alt geworden.
Wir haben ja immer Weiterschaltung, da wir selbständig sind, wollen wir von unseren Mandanten erreicht werden können, so es eben geht.
Erst die Messe, natürlich Handy lautlos. Raus aus der Kirche, Handy wieder auf laut. in die Trauerhalle. Die Feier beginnt, das Handy klngelt. Boah, ich bin bald im Boden versunken. Schnell in die Knie, in die Tasche gegriffen, auf den Aus-Knopf gedrückt. und wieder Luft geholt.
So ein Mist! Und das bei solch einer Feier. und dann noch WIR!
Wir achten doch so sehr darauf, niemanden zu stören. Und doch ist es passiert.
In dem Moment will man nur noch im Boden versinken, hm? ;)