Längst hatte sie es aufgegeben, ihre Sucht zu verheimlichen. Wozu auch? Es würde nichts ändern. Sie hatte sich einen Ruf aufgebaut und den galt es zu bestätigen. Mit allen Mitteln, wenn es sein musste. Den um sie kursierenden Mythos würde sie aufrechterhalten. Das war sie ihrem Publikum schuldig. Ihr Kopf brannte. Mal wieder. Es war kein Wunder. Wusste sie doch, dass sie aufgrund der Medikation, die einige Ärzte für sinnvoll hielten, eben in dem Rahmen, den die Kasse bezahlte, keinesfalls Alkohol zu sich nehmen durfte. Selbst kleinste Mengen schossen ihr direkt den Kopf weg. Es war ihr egal. Hauptsache, sie konnte das, was man von ihr hielt, aufrechterhalten. Und das ging eben mit benebelten Sinnen am besten. Keiner derjenigen, von denen sie sich nur allzu gern anbeten ließ, hatte sie jemals persönlich gesehen. Aber gerade das machte den Reiz aus. Sie konnte behaupten was sie wollte, man glaubte es ihr. Mehr noch: Als sie anfänglich noch ab und zu versuchte, das von ihr virtuell gezeichnete Bild der Realität etwas anzunähern, glaubte es ihr niemand. Sie war die Grande Dame, ob sie wollte oder nicht. Mittlerweile wollte sie. Und sie genoss es.
Wie einfach es doch war, die Massen zu manipulieren. Ein irgendwo geklautes Bild mit Highheels als eigenes ausgeben und veröffentlichen; schon war sie die vornehme Madame, die nur auf hochhackigen Nobelschuhen ihren traumhaften Lebensweg beschritt. Dass sie überwiegend in flachen, abgewetzten Tretern, deren beste Zeiten seit Jahren vorbei waren, durch ihr ärmliches Leben trottete, vor allem, wenn der Rechner ausgeschaltet war, wusste ja niemand. Ihre mickrige Behausung hatte nicht einmal Schränke. In Kartons stapelten sich ihre paar Habseligkeiten, Dank derer sie wenigstens behaupten konnte, überhaupt etwas ihr Eigen zu nennen. Der gebrauchte Kühlschrank, den ein Bekannter ihr, vermutlich aus Mitleid, zur Verfügung gestellt hatte, kühlte ihr Abendessen: Eine Flasche Irgendwas; Hauptsache es knallt. Aber allein ein paar Worte über die große weite Welt in Geschichten, die sie irgendwo gelesen und als Inspiration genutzt hatte, verhalfen ihr zu dem Ruf, als weltgewandte Superfrau in einem wundervollen Appartement zu leben, sofern sie überhaupt gerade mal im Lande war. Dabei wäre es so einfach gewesen, ihr Spiel zu durchschauen: Nie hatte sie etwas von Freunden zu berichten oder von privaten Aktivitäten; eben irgendwas Realem. Wie auch? Natürlich musste sie tunlichst darauf achten, dass niemand hinter ihr Geheimnis kam. Ein intensiverer Kontakt und ihre angeblich so perfekte Welt wäre nur noch Geschichte.
Ihr Hilfsjob in einer sehr renommierten Firma verhalf ihr Dank des Firmennamens zu der Annahme, sie wäre wichtig. Darin sonnte sie sich. Warum auch hätte sie diesen Eindruck zerstören sollen? Allein die Herausgabe ihrer dienstlichen Telefonnummer machte mächtigen Eindruck bei manchen Menschen. Sie hörten auf zu denken, wenn man ihnen etwas richtig verkaufen konnte. Und das konnte sie. Dafür brauchte sie nicht einmal etwas Eigenes zu schaffen oder zu haben. Es genügte, den Eindruck zu erwecken, dass es so sein könnte, wie es andere sehen wollten. Wie andere sie sehen wollten. Warum sollte sie ihnen den Spaß nehmen. Hatte sie selbst doch das größte Vergnügen daran, zu erleben, wie blind und willig manche Menschen das, was man ihnen zum Fraße vor die Füße wirft, bereitwillig in sich hinein schlingen. Im richtigen Moment wohl dosiert, jedoch nur scheinbar, tiefstapeln und schon war alles wieder genau so, wie sie es haben wollte. Berichtete sie von einem Ausflug ans Wasser, wurde daraus eine luxuriöse Kreuzfahrt konstruiert. Sie selbst brauchte kaum noch etwas zu tun, um als Jetsetterin zu gelten. Und das Internet war voll mit Material, das sie stichwortartig unter’s willfährige Volk schmeißen konnte. Sie wurde bejubelt und auf Sockel gehievt. Anfänglich hatte sie sich noch etwas geziert, mittlerweile war es ihr recht. Vielmehr hatte sie ja eh nicht.
Nur dieser verdammte Alkohol … sie konnte einfach nicht damit aufhören. Viel zu abhängig war sie mittlerweile davon. Und das, obwohl sie wusste, dass unter anderem er sie umbringen würde. Geschichten von noblen Genussschuppen und sonstigen Etablissements, die sich die meisten ihrer Fans eh nie leisten könnten, versüßten ihr den Gedanken daran, es gerade mal wieder geschafft zu haben, genügend Geld zusammen zu kratzen, um sich in irgendeinem billigen Discounter eine Flasche Fusel zu besorgen. Nur so war es ihr möglich, mal wieder einen Abend zu überstehen. Der alte Rechner, der in ihrer Behausung stand und seit langem damit drohte, den Geist endgültig aufzugeben, wurde zur technisch neuesten Innovation des Laptop-Marktes, wenn sie ihn hochfuhr. Nur noch einloggen und ein bisschen Präsenz zeigen. Anfütterung der Massen. Es funktionierte immer. Sie kam und der Pulk johlte. Es war ein herrliches Gefühl. Wenn sie wüssten … Aber sie wissen es nicht und sie werden es nie erfahren. Ihren 60. Geburtstag wird sie sowieso nicht mehr erleben. Kurz davor wird sie ihre glamouröse Scheinwelt verlassen. Doch eines wird bleiben: Die Illusion der ewig jungen Grande Dame; die wird sie für einige immer bleiben. Wenigstens dafür hatte sie ausreichend Vorsorge getroffen.
© skriptum ’08
…ich musste grad schmunzeln bei dieser Geschicht, liebe Tina…gerade weil ich am Ende den Faktor Zeit sah…ein Thema, was immer wieder passt…
…es wirft mich zurück in meine Anfänge…wie ich hier hereingestolpert bin ins www. und alles was mir vor die Augen kam, auch glaubte…naiv, gell?… ohja…ich habe so einiges gelesen, für gut befunden und letztlich hieß es…alles nur geklaut….naja…so ist es wohl und mittlerweile, mhm, nehme ich vieles nicht mehr allzu ernst…klar bilde ich mir (m)eine Meinung, nur nehme ich nichts mehr persönlich… drum pell ich mir auch ein Ei drauf…ob nun jemand wettert oder hetzt…pfff…wer kennt mich schon und wen kenne ich…???… ich denke manchmal, einige toben sich hier aus, erfinden Identitäten, sowie du es hier auch schreibst… die Realität weicht ganz schön vom virtuellen Auftreten ab… Schade… tja… „real-virtuell“ ist Oxymoron…aber gut…jeder hat seine helle und dunkle Seite… Steven King ist doch kein Sadist…oder????… vielleicht ist es besser seine Fantasie hier zu leben – statt irgendwo wirklich mal etwas zu tun…*zick… ich hoffe du weißt wie ich mein…
in diesem Sinne….liebe Grüße…Kerstin…
Ich „bewege“ mich jetzt seit ca. zwölf Jahren im Internet. Da ist mir auch so einges unterkommen. Persönlich sollte man im Zweifel gar nichts nehmen. Es sei denn, dass es sich positiv und persönlich realisiert. Wenn ich nur an eine „Dame“ denke, die seit über 10 Jahren ihre gegen mich neurotisch gepflegte Missgunst schürt und noch immer keine Gelegenheit auslässt, um mich mit irgendwelchen dümmlichen Frechheiten zu torpedieren … Anfänglich hatte ich das, genau wie Du, persönlich genommen. Mittlerweile tut sie mir einfach nur noch leid. Zumal jeder ihrer Angriffe als Schuss in ihrem eigenen Knie endet. Aber vielleicht steht sie auf Schmerzen?! *g
Insofern ist auch sowas ein gutes Beispiel dafür, nicht alles glauben zu sollen oder müssen, was man irgendwo liest. Wer nur über jemanden spricht, statt mit ihm, hat an einer tatsächlichen Klärung kein Interesse, sondern will sich üblicherweise nur wichtiger machen, als er ist. Anderenfalls würde er das Problem persönlich klären oder wenn das nicht geht, dann schweigen. Aber ständiges Zetern und Hetzen … das zeichnet schon ein recht klares Charakter-Bild. Und damit ich mich letztendlich nicht noch auf das gleiche Niveau begebe, belasse ich es bei dieser kleinen Re-Aktion! ;)
Letztendlich sollte der Grund für einen Blog m. E. im Interesse an Spaß und Austausch unterschiedlicher Meinungen liegen. Manche scheinen aber selbst gepflegte Kriegsgebiete unbedingt zu brauchen. Gut, dass man sich auch im Internet seine Gesellschaft weitestgehend aussuchen kann.
Klar weiß ich, wie Du es meinst, liebe Kerstin! Ich meine es ja auch so! ;o) Und nun hab‘ einen prächtigen Sonn_Tag!
Na ihr Zwei da? Ich wünschte, ich könnte es wie ihr handhaben. Mir ein Ei pellen, um es mit K. Worten zu formulieren. Ich kann es nicht. Ganz im Gegenteil. Ich nehme mir das alles an und irgendwann spiele ich dann wieder das Klappmesser.
Liebe Tina, du hast mir mit deinem Post meinen Nachmittag erhellt. Und du meine Kerschtin zieh dich warm an, denn ich habe vor mit dir zu telefonieren, wenn du wieder in der Heimat bist.
Mandy geht jetzt wieder in die Realität, nämlich in den Garten und werde mir dort ein riesengroßes Stück Torte gönnen, die ich am WE gebacken habe und von der noch ein kleiner Rest da ist.
Knutsch zu euch. Und gehabt euch wohl, meine Gnädigsten.
Du weißt doch aber wer es „sagt“ und weißt zudem, dass Du nicht die Erste warst, die diesen „Machenschaften“ zum Opfer gefallen bist. Ich war schon zweimal dran und in einem dann folgenden Thema ist noch zusätzlich in Kooperation mit einem anderen Blogger hinter mir her gekartet worden.
Liebelein, Du warst nicht die Erste und Du (etc.) wirst nicht die Letzte gewesen sein. Madame postet trotz nach wie vor lesbarem und plakativ bekundetem Abschied munter weiter, als wenn nie etwas gewesen wäre. Und DU verkriechst Dich? Los jetzt: Aufstehen, einmal kräftig schütteln und weiter gehts!
Hm? Looos! *stups
Was ich an dir besonders schätze, ist dein Sinn für Realität, liebe Tina, der ist hier in diesem Medium wahrlich nicht jedem gegeben.
Du hast vergessen zu erwähnen: Die Dame ist adelig. ;)
Und ihr Ritter von der traurigen Gestalt hämmert mit der linken Hand Liebesschwüre in die Tastatur, während er mit der rechten dem Wort „Manipulation“ zu seiner ursprünglichen Bedeutung verhilft.
Die perfideste Art der Manipulation ist – gleichzeitig ein Ausdruck von Macht – , Hoffnungen auf Vergebliches zu schüren.
Danke für diesen Beitrag… Eva
Liebe Eva, es muss ja auch nicht jeder alles perfekt beherrschen. Aber ein Minimum an Menschlichkeit und Fairness sollte doch jedem gegeben sein. Insbesondere, wenn er sich freiwillig in der Öffentlichkeit bewegt. Dazu gehört für mich auch Ehrlichkeit und Authentizität. Man weiß ja im Zweifel nie, wann man doch mal jemandem begegnet oder auf welchem Wege einem Lügen um die Ohren fliegen. ;)
Ja, natürlich war die Dame auch noch adelig: Von und zu Schnepf. Aber das musste ich doch nicht noch extra erwähnen, oder? *g
[…] Von Skriptum inspiriert: […]
Da ich mich gerade, insbesondere ob des Schlusssatzes, an meinem Kaffee verschluckt habe, mache ich es kurz und sage: Bravo!
Und jetzt brauche ich einen Lappen! ;o))
Sie ist einfach ganz real…deine Geschichte.
Leider kenne ich auch solch eine Frau und muß doch leiden, wenn ich sie total fertig am Telefonhörer sprechen höre!!!
Na ja, liebe fudelchen, zum Glück ist die Geschichte nicht ganz real, sondern (siehe Tags) zumindest auch Fiktion!
Schade, dass Du mit einer solchen Frau tatsächlich real konfrontiert bist. Das stelle ich mir sehr schwierig vor.